laut.de-Kritik
Schweißtreibende Definition der gepflegten Tanzmusik.
Review von Alexander CordasDer Kundige weiß "Nag Nag Nag" richtig einzuordnen. Der Cabaret Voltaire-Track aus den späten Siebzigern steht Pate. Dieses verschwurbelte Idiom haben sich die Macher eines gleichnamigen Londoner Clubs geliehen, um unter diesem Banner gehörig die Elektrosau rauszulassen.
Resident DJ Jonny Slut kompiliert zwei CDs, die unter den Bannern 'No Wave' und 'New Wave' Lärm in die Welt hinaus schicken. Disc eins wartet mit neuem Material auf, während der rückseitige Silberling altgediente Recken vereint, die für die Entwicklung der Alternative-Musik wegweisend waren oder zumindest so taten, als ob.
Mit dem lebensbejahenden Slogan 'London's Burning Down' startet Tiga den Tango Faszinoso durch knapp 80 Minuten Elektro aufs Maul. Alle momentanen Oberhipsters pumpen und ballern sich durch ihre eigene schweißtreibende Definition der gepflegten Tanzmusik.
Etwas poppiger moppelt zwar Justin Robertsons Neuinterpretation des Radio 4-Songs "Start A Fire", der den Vergleich mit dem lahmen Original immer noch um einige Bpms Vorsprung für sich entscheiden kann. Und überhaupt regiert die 'No Wave'-Disc.
Die Chicks On Speed schwingen das Zepter zu ihrem letzten Hit "We Don't Play Guitars", und Miss Kittin macht im Verbund mit T.Raumschmiere Ansprüche auf die Königswürde geltend; alles schräg knarzend und mit dem Hang zu nett randalierenden, synthetischen Klängen.
Die hier versammelten Acts bilden mit ihrem Sound die perfekte Antithese zu abgelutschten Klängen, wie sie heutzutage in jeder Indie-Disco zu hören sind. Kein Bock mehr auf Rage Against The Machine und "Killing In The Name"? Hier bekommt der Übersättigte seine Krachkur. Einfach "The Game Is Not Over" gegen die Bassbox brüllen und gut ist.
CD Nummer zwei mutet dagegen wie ein netter Chillout an. Bauhaus, Adam Ant oder DAF mit dem unvermeidlichen "Mussolini" wandern im Vergleich zur ersten CD auf sicheren Pfaden und scheuen leider jedes Risiko. 'Herkömmlich' würde das im angestaubten Werbejargon heißen, und so ungefähr kommt das auch rüber.
So ganz erschließt sich die Zusammenstellung dann auch nicht. Wieso hat der umtriebige Schlampen-Jonny nicht noch eine Platte mit anregenden neuen Songs vollgepackt? Keine Ahnung, und deshalb ist "Nag Nag Nag" zwar gut, aber eben nicht Spitze.
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