laut.de-Kritik
Wie in den Vorjahren eine zweischneidige Angelegenheit: vielfältige Eindrücke, lieblos zusammengeklöppelt.
Review von Olaf SchmidtWühlt man sich durch Rezensionen zu älteren Wacken-DVDs, werden immer wieder dieselben Kritikpunkte laut: mangelhafte Bildqualität und fehlende Extras. Daran hat sich auf den neuen Silberscheiben leider nichts geändert. Dass sich ein so großes Unternehmen wie Wacken mit diesem Standard zufrieden gibt, bleibt wohl eines der großen Mysterien des Universums. Wie schon bei der Ministry-DVD kritisiert, eiern Bildregie und Schnitt wild in der Gegend herum, lenken die Aufmerksamkeit aber selten dahin, wo es sich lohnen würde. Wer den Musikern gerne auf die Finger schaut, ist hier leider falsch. Der "WDR Rockpalast" bekommt das seit Jahrzehnten deutlich besser hin.
Gerade das Jahr 2012 hätte sich für mehr Begleitmaterial angeboten. Eine heftige Regenfront zog über das Festivalgelände hinweg, die Besucher standen anschließend dick im Matsch. Wie leicht hätte man da Impressionen mit den Zuschauern einfangen oder spontane Interviews mit Bands führen können. Bedauerlicherweise hat es auf dieser 3-DVD-Box nur für einen so genannten "Moodfilm" gereicht, der mit ganzen zwei Minuten Spielzeit wenig üppig ausgefallen ist. Unterlegt mit einem Saxon-Song gibt es ein paar Bilder vom Gelände und ein paar Aufnahmen vom Bühnengeschehen. Das wars. Platz wäre auf den Silberlingen noch reichlich gewesen.
Ansonsten das übliche Spielchen: Ein paar Songs pro Band gibt es zu sehen, maximal drei an der Zahl. Es fehlen wieder etliche große Namen. Unter anderem glänzen Opeth, Dimmu Borgir, In Flames, Scorpions, Machine Head und Amon Amarth mit Abwesenheit. Ob sie mit ihren Auftritten nicht zufrieden waren oder die Gigs selbst kommerziell auswerten wollen - man weiß es nicht. Für die Zukunft wäre wünschenswert, statt wenigen Songs von einigen ausgewählten Bands lieber einen Titel von jeder größeren Band zu sehen.
Beim Sound gibt es nichts zu meckern. Erneut wäre jedoch verhandelbar, was einen guten Live-Mitschnitt auszeichnet. Bei Hammerfall am Anfang wird direkt wieder mit zusätzlichen Bandaufnahmen gearbeitet und nachträglich am Sound herum gebogen. Die Männerchöre klingen wie aus dem Studio. Es scheint von der jeweiligen Band abzuhängen: Bei Testament im Anschluss kommt deutlich mehr Live-Feeling auf. Chuck Billy und seine Burschen haben jedenfalls Spaß. Gleiches gilt für die drei Saxon-Songs oder für Overkill. Bei letzteren regnet es, bei Cradle Of Filth herrscht dafür irritierend schöner Sonnenschein.
Irgendeiner sollte Tobias Sammet bei Gelegenheit erzählen, dass Angus Young nicht "Äinsches" ausgesprochen wird. Macht nix, Edguy wirken auf der Bühne trotzdem besser als aus der Konserve. Ob das an der Marionette liegt, die sie bei "Babylon" auspacken? Auch Volbeat haben Gäste. Plötzlich steht Mille von Kreator auf der Bühne und steuert ein paar Gastzeilen bei. Merkwürdige Kombination, irgendwie. Es wird aber noch besser: Beim folgenden Stück greift Barney Greenway (Napalm Death) zum Mikro. Ein denkwürdiger Auftritt von Volbeat war das offenbar. "That's the way to do it, man. No bullshit", sagt Herr Poulsen dazu.
Eine nette exotische Note bekommt die DVD mit ein paar Songs von Suffocated. Chinesische Bands auf deutschen Bühnen sieht man selten. Leider haben sie extremes Pech mit dem Wetter: Es schüttet aus allen Kübeln. Wie viele Menschen diesen Auftritt tatsächlich erlebt haben, lässt sich nur erahnen, die Kamera zeigt kein einziges Mal Publikum. Weitere Pluspunkte: der launige Frontmann von Decapitated, die coolen Rocksäue von Red Fang (deren restlichen Auftritt man gerne gesehen hätte), das atmosphärische Stilgemisch von Ghost Brigade.
Bei dieser Menge an Bands dürfte zwar für jeden etwas dabei sein, aber eben auch genug Verzichtbares. Picken Sie sich Ihr Pläsier heraus. Leaves' Eyes beispielsweise haben allen Ernstes ein Wikingerboot auf der Bühne aufgebaut. Schandmaul wirken zwischen den ganzen Metal-Bands irgendwie deplatziert, Riotgod langweilen enorm, Crimes Of Passion haben einen Sechs-Saiten-Bass-Poser im Lineup. Unearth steigen in den peinlichen Wrestling-Ring. Moonspells Akustik-Set überzeugt leider auch nicht. Las sich auf dem Papier schon reizlos, ist in der Ausführung noch schlimmer.
Also: "Live At Wacken 2012" - eine zweischneidige Sache. Auf der einen Seite eine ganz nette Möglichkeit für Menschen, die kein Ticket mehr bekommen haben, ein paar Band-Eindrücke zu gewinnen. Auf der anderen aber zu oberflächlich und lieblos zusammengeklöppelt und mit den üblichen Problemen der Wacken-DVDs behaftet.
3 Kommentare mit 2 Antworten
muss ich von abraten - eher stumpf beidseitig.
Wacken - der Jahrmarkt für Genrefremde.
die treffendste aussage die ich je über wacken gehört habe
eigentlich kann man nur begrüssen, dass mehr Genrefremde mal auf Metalkonzerte gehen (aus diversen Gründen), aber bei Wacken komm leider allein der Tross der Minderbemittelten an. Zottel und Kindsköpfe zu Dauerbeschallung von Krawall und Matsch sich den letzten Fusel hinter die Binde kippend - hat was von Kleinkindern mit Hund in der Badewanne zu Pippi Langstrumpf Europa Kassetten und Kinderpunsch.
Das hat aber wenigstens Spass gemacht und war nicht so kalt und matschig. Plitsch Platsch...