laut.de-Kritik
Wie der Elefant im Porzellanladen.
Review von Philipp KauseWalter Trout lässt die gute alte Fender Stratocaster wieder so dermaßen ächzen, dass man meinen könnte, sie breche im nächsten Moment auseinander. Ist diese Gitarre für ihn doch etwas 'Echtes' in einer Welt, die er ansonsten als "Artificial" abkanzelt. Alles sei künstlich heutzutage, ätzt er direkt im Opener in der Stimmlage eines Kastraten.
"Wir haben künstliche Fotos, künstliche Musik, man könnte ewig so weitermachen", ärgert sich Trout und gleichzeitig: "Ich bin total verrückt nach KI, lese Artikel darüber, wie sie all diese wunderbaren Dinge in der Medizin bewirken wird. Dann höre ich Bill Gates sagen, dass 80 Prozent der Jobs verschwinden werden. Was passiert dann?" Als ein Zeichen der Zeit, "Sign Of The Times", ließ sich bereits auf einer Handvoll Platten seit Walters Lebertransplantation vor elf Jahren seine Dankbarkeit fürs Leben lesen, das quasi sein zweites darstellt, "Hurt No More" erinnert daran. Es ist eine Zeit die er für kostbar hält und in der er konstant einen beachtlichen Lauf hat.
Die existenzialistische Note in seiner Musik nutzt sich weiterhin nicht ab, zumal kurz nach seiner Rettung Donald Trump zum ersten Mal ins Amt kam - wahrlich nicht sein Fall. Von amerikanischen Werten hat der bissige Lyriker im Verhältnis zum Präsidenten ein diametral entgegengesetzte Vorstellung. Auf diesen und auch die beiden großen US-Parteien bezieht sich Walter, wenn er im Titeltrack den Schaden für die Demokratie beklagt.
Dabei nennt er den Widersacher nie direkt beim Namen und auch nicht dessen Wähler:innen. "Ich könnte in den sozialen Medien ganz Beiträge schreiben. Aber ich will die Spaltung nicht noch weiter befeuern. Wenn ich auf der Bühne stehe, ein Blues-Stück in Moll spiele, und ich schaue in die erste Reihe und sehe einen kräftigen Biker – und er weint – dann berühre ich ihn in unserer gemeinsamen Menschlichkeit. Dann ist es egal, wen er gewählt hat."
Trout fühlt sich in einer von Geiz zerfressenen Gesellschaft auch überwacht - so spuckt er es uns zwischen berstenden Riffs vor die Füße. Die Amplifier vernebeln das Klangbild stellenweise wie auf einer schweren Saxon-Scheibe. Gelegentlich keift er es auch heraus: "Der Gesang soll die unterdrückten Menschen dieser Welt zum Weinen bringen", erläutert er und schreit kurz mal wie am Spieß. So zornig und resigniert hat man den Mann aus New Jersey und Wahl-Kalifornier zuletzt nicht gehört.
Im Interview legte er bereits vor Donalds zweiter Vereidigung seine Bedenken offen. Jetzt geht er einen Schritt weiter: "Ich wollte die Wut und die Angst, die in der Welt vor sich gehen, zum Ausdruck bringen. Für mich ist das Schreiben dieser Songs eine Therapie. Sie handeln nicht nur von dem, was da draußen passiert, sondern auch davon, wie es sich in deinem Kopf auswirkt."
"No Strings Attached" präsentiert sich stampfend wie der Elefant im Porzellanladen und schmettert auf allen Ebenen von Bass (John Avila) bis Vocals eine grobschlächtige Ansage gegen Heuchelei heraus, gegen die Kleinkariertheit der Reflex-Reaktionäre, gegen Leute, die mit Brettern vor dem Kopf leben würden, die Schusswaffe im Anschlag. Man fühlt die Wut, die in Walters Bauch gärt.
Katharsis pur kommt im bärenstarken "Struggle To Believe" zum Ausdruck. Trouts Band entzündet texanisches ZZ Top-Feuer. Im Liedverlauf psychedelischer werdend, lang, spannend und kampfeslustig, platziert Trout einen Höhepunkt der Platte. Zugleich operiert der Senior in einem Klangspektrum, das man so erstmals von ihm hört.
Trout streift aus in Richtung Poser-Rock, Metallisches, aber auch in die Interstate-Americana-Ballade, in beschaulich-romantischen Southern Style und überhaupt AOR. Der Blueser geht insofern fremd: "Du du wirst dieses Jahr keinen Bluespreis gewinnen", spottet sein Keyboarder. Auch wenn die Mundharmonika im Schlusssong "Too Bad" herzhaft jault.
"Sign Of The Times" präsentiert sich als ein abwechslungsreiches Album, eine Weiterentwicklung im hohen Alter. Ausführliche Tracks gönnt er sich wie gehabt. Sie sind knackig und präzise geflochten. Selbst instrumental bilden sie eine Art Story. Das gilt auch beim Halb-Rockabilly, Halb-Boogie "Hightech Woman" mit Teddy Andreadis an den Tasten.
Manche Männer könnten nicht mit Technik umgehen, so Trout. Ihnen täte eine Frau an der Seite gut, die etwas davon verstehe. Und meint damit seine Ehefrau und Liedtexterin Marie. Das Gitarrensolo im glühenden "Blood On My Pillow" beweist Satrianische Erzählkraft: In dieser elegischen Soul-Blues-Powerballade unterlegt ein Wurlitzer die anrührende Geschichte über ein gestohlenes Herz und eine ausblutende Seele, Einen großartigen Auftritt legt der 74-Jährige hier im letzten Chorus hin, als er buchstäblich voller Herzblut singt, er schauspielert regelrecht. Das ist schon fantastisch und spitzenmäßig flankiert von Solo-Einlagen.
Zwischen die politische Schärfe und Härte der LP mischt sich versöhnlich "Mona Lisa Smile" mit Mandolinenklängen. Saitentechnisch schlängelt sich der Tune irgendwo zwischen Bluegrass und Cat Stevens. Die poetische Interpretation des Lächelns der berühmten Dame im Louvre - die es ab und an auch im echten Leben gibt, Marie Trout weise Parallelen auf - gelingt großartig. Der Song gehe auf einen Traum zurück.
"Sign Of The Times" gibt zwar eher eine Einzelstück-Kollektion als ein Gesamtwerk ab, stellen die zehn Nummern doch nur eine kleinere Auswahl dar: "Wir hätten weitermachen und ein Dreifachalbum machen können.". Der energetischen Wirkung tut dieses heterogene Puzzle aber keinen Abbruch.
1 Kommentar
abwechslungsreich trifft es gut; und guet Songs sind zudem auf dem Album. Gelungen was Meister Trout abliefert.