laut.de-Kritik

Der Rapper aus Buffalo erinnert zunehmend an Tyler The Creator.

Review von

Psst - "10" ist gar kein Album, es ist ein Mixtape. Trotzdem reviewen wir es hier: Ja ist denn nichts mehr heilig? Nein, zumindest nicht die künstliche Album-/ Mixtape-Grenze bei einem Künstler wie Westside Gunn, der den Unterschied selbst nicht versteht. Dass "10" Relevanz besitzt, sieht man nicht nur an der Kollabo-Liste, sondern auch daran, dass es das Ende der legendären "Hitler Wears Hermes"-Reihe darstellt, auch wenn, um der Verwirrung Bahn zu brechen, der Serientitel auf "10" fehlt.

"Intro" war in verschiedenen Versionen schon vorab bekannt, und Menschenskinder, hat AA Rashid eine Präsenz. Der 'consciousness teacher' nimmt den Hörer tief in seine Gehirnwendungen mit, sehr angenehm, bevor "10" vertrauteres Gunn-Territorium betritt. "FlyGod Jr" ist eher Durchschnittsware, zumal DJ Drama wieder einmal an die 200 Mal zu oft Nonsens in den Song brüllt. Aber auf "Super Kick Party" bringt Gunn einem ins Gedächtnis, wie überzeugend die an Action Bronson erinnernde Dynamik ausfällt, wird er von der Leine gelassen. Und je weirder die Beats, desto besser funktioniert das. Deshalb ist die Kollaboration mit A$AP Rocky auf "Shootouts In Soho" so gelungen: Auf dem düsteren, windschiefen Soundgerüst hangeln sich die beiden in ihrem natürlichen Habitat mit viel Freude voran.

Westsides Kumpel Stove God Cooks fällt auf diesem haushohen Niveau leider nicht nur auf "Shootouty In Soho" ab. Der Gute hat die absurd undankbare Aufgabe, auf "Science Class" neben Gunn, Busta Rhymes, Raekwon und Ghostface Killah bestehen zu müssen. Was für eine arme Socke. Auf eben jenem Song hören wir einen glänzend gelaunten Busta, der einen auf den Leib geschneiderten rhythmischen Jazz-Jam-Beat bekommt, Raekwon und Ghostface Killah hörte man auch schon gelangweilter. Es ist und bleibt faszinierend, wie Gunn das Letzte aus seinen hochkarätigen Gästen herauszukitzeln versteht. Wirklich glänzen kann er neben diesem Personal dann allerdings auch nicht - hält allerdings durchgehend mit.

Ein weiteres Paradebeispiel heißt "Peppas", auf dem vor allen Gunns Fähigkeit ins Auge sticht, seine Featuregäste haargenau passend zum Beat auszuwählen. Natürlich sind Bey und Kweli alias Black Star eine Bank, gleichzeitig aber auch schwierige Gäste, die genau den passenden Teppich unter den Füßen spüren müssen. Madlib schwitzt wohl heute noch aufgrund der Produktion von "No Fear Of Time". Auf "Peppas" treten die beiden auf, als wären sie 20-jährige Nobodies, die sich noch beweisen müssen - großartig.

Und das alles, obwohl Westside wieder mal auf eine gewaltige Riege von Produzenten zurückgreift, von Genre-Größen wie Swizz Beatz über seine recht extensive Griselda-Hausposse (Devin Williams, Elijah Hooks und Denny Laflare) bis hin zu aufstrebenden Mittelständlern wie Conductor Williams. Der Meister hält die Strippen mühelos zusammen und findet Zeit für Sound-Spielereien wie "Nigo Louis" mit seiner Tochter (aka Westside Pootie) und das in mindestens drei Teile zerbrechende "God Is Love".

Mit seinem Eklektizismus erinnert der Rapper aus Buffalo zunehmend an Tyler, wenngleich sein Genrefokus vorhanden bleibt. Selbst exzentrische Gäste wie Run The Jewels kriegt er auf "Switches On Everything" in den Griff, vor allem steigt Killer Mike endlich mal wieder vom allzu hohen Ross herunter und gibt sich Mühe. Einen Preis zahlt Gunn für dieses feine Austarieren aber, für ihn selbst bleibt nur kurz im Refrain Platz.

Das ist verdammt schade, wie "Mac Don't Stop" kurz vorm Schluss noch mal nachdrücklich klar macht. Gefühlt ist es das erste Mal seit "Super Kick Party", dass man bewusst wieder den Griselda-Paten hört. Und so gut das Griselda-Familientreffen "Red Death" als Closer auch ist, kommt man nicht umhin zu denken, dass Westside Gunn sich mit seiner Funktion als Kurator eines Instruments bedient, das er als MC überhaupt nicht nötig hat, das ihm ein Stück weit ein kohärentes Meisterwerk versagt, statt 'nur' ein exzellentes Mixtape zu beaufsichtigen. Ein würdiger Abschluss einer herausragenden Serie. Nun erwarten wir noch Größeres.

Trackliste

  1. 1. Intro feat. A.A. Rashid
  2. 2. FlyGod Jr. feat. Doe Boy & DJ Drama
  3. 3. Super Kick Party
  4. 4. Shootouts in Soho feat. Stove God Cooks & A$AP Rocky
  5. 5. Peppas feat. Black Star
  6. 6. Nigo Louis feat. WS Pootie
  7. 7. BDP feat. Stove God Cooks & Rome Streetz
  8. 8. Science Class feat. Stove God Cooks, Busta Rhymes, Raekwon, Ghostface Killah
  9. 9. God Is Love feat. Stove God Cooks, Estee Nack, Keisha Plum
  10. 10. Switches on Everything feat. Stove God Cooks & Run the Jewels
  11. 11. Mac Don't Stop
  12. 12. Red Death feat. Stove God Cooks, Rome Streetz, Benny the Butcher, Jay Worthy, Conway the Machine, Armani Caesar, Robby Takac

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