laut.de-Kritik

Die Schotten loten die Grenzen des Hip Hop aus.

Review von

Das Hip Hop-Trio Young Fathers aus Edinburgh sorgte bereits 2014 für Aufsehen, als sein Debütalbum "Dead" mit dem Mercury Music Prize ausgezeichnet wurde. Nach dem Zweitling "White Men Are Black Men Too" gingen nun drei Jahre ins Land, bevor sich die Schotten, die der NME als eine Mischung von De La Soul und 3T beschreibt, Anfang 2018 mit einer neuen Platte zurückmelden.

"Cocoa Sugar" offenbart nun ein filigranes Klanggeflecht, das sich repetitiv und zugleich sukzessiv durch knapp 40 Minuten Spielzeit bewegt. Dabei fügen sich die warmen, polyphon agierenden Stimmen, die zumeist zwischen chilligen Raps und eingängigen Gesangsmelodien pendeln, ganz selbstverständlich in das orchestrale Gesamtkonzept. Über die oft minimalistischen Bassfundamente erheben sich die von Piano über Streicher bis zum Backgroundchor getragenen Klänge und schweifen dabei zuweilen ins Geräuschhafte ab.

Durch die Kontraste von verschiedenen Tempi sowie differenten Arrangements bildet das Album eine Dramaturgie heraus, die sich auch auf Songebene zeigt. So markiert schon der Opener "See How" als zweiminütiges Crescendo-Anschwellen das Spiel von Klangreduktion und -dichte.

Während das rasante "Wow" den Puls der Platte drastisch beschleunigt, schwimmt das ruhige "Lord" lediglich in sanften Piano Arpeggien dahin und markiert den Ruhepol der Scheibe. Das umsichtig arrangierte Orchester konzertiert dabei mit den penetranten Bassschlägen, während das Instrumentarium kontinuierlich anwächst: Der bedächtige Weg von der Reduktion zu voller Klangdichte suggeriert das Aufsteigen(wollen) in höhere Sphären und wird von unauffälligen Drums-Fragmenten begleitet, die thematisch passend im dreiteiligen Metrum notiert sind. Dagegen verdunkelt im anschließenden "Tremolo" eine düstere Bassfigur mit angezerrter Kirchenorgel zunächst den Himmel, bevor dieser in der zweiten Songhälfte mittels Dur-Klängen aufklart.

Immer wieder lässt sich in den meist unaufdringlich vorgetragenen Lyrics der Scheibe die Sehnsucht nach mehr Religiosität in der heutigen Gesellschaft und sakralen Inhalten herauslesen. So erklingen etwa in "Picking You" die Zeilen "You never find your way to heaven / But you can follow me."

Häufig speisen sich die Tracks wie in "Turn" aus musikalisch einfachstem Material: Während die wiederkehrende Terzgang-Sequenz das zugrunde liegende Bassmotiv formt, markieren Synthie und Vocals bald tanzende Gäste auf dem bebenden Fundament. Das nervöse Drumset alterniert dazu zwischen Treiben und Pausieren und gezielt integrierte LoFi-Geräusche flankieren die Klangcollage.

Wie nah sich die Songs an der Grenze zur Monotonie bewegen, legt allerdings "Wire" offen, dem die ansonsten virtuose Mischung zwischen Wiederholung und Prozesshaftigkeit nicht gelingen mag und stattdessen mit rasantem, eintönigen Orgel-Sample lediglich auf sich selbst referiert.

Dass das schottische Trio auch singbare Melodien schreiben kann, zeigt das synthetische "In My View", was den eingängigen Refrain ins Spannungsfeld zwischen Ambient-Sound und rhythmischen Akzenten setzt. Insgesamt lassen sich in den überwiegend prozesshaften Liedaufbauten der Platte nur mühsam klotzige Songbausteine wie Strophe und Refrain finden.

Young Fathers liefern mit ihrem Drittling "Cocoa Sugar" eine Platte, die mit großer Experimentierfreude und ausgeklügelten Arrangement die Grenzen des Hip Hop auslotet. Die ideenreichen Klänge kommen niemals penetrant daher - im Gegenteil: Subtilität markiert den roten Faden der Alternative-Hip Hop-Scheibe. Vielschichtig wird die feinen Fusion von repetitiven und zugleich sukzessiven Klängen, von Abwechslung und Konsistenz in die Songs verwoben.

Trackliste

  1. 1. See How
  2. 2. Fee Fi
  3. 3. In My View
  4. 4. Turn
  5. 5. Lord
  6. 6. Tremolo
  7. 7. Wow
  8. 8. Border Girl
  9. 9. Holy Ghost
  10. 10. Wire
  11. 11. Toy
  12. 12. Picking You

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