laut.de-Kritik
Die US-Sängerin nutzt ihr großes Potenzial viel zu selten.
Review von Philipp KauseVor einiger Zeit berichtete Arte von einer Business-Masche: Verlagsfirmen platzieren gezielt alte Lied-Bestandteile der 1980er und 90er in aktuellen Hits, um Tantiemen zu scheffeln. Dass Ariana Grande für die Vorab-Single zu "Eternal Sunshine" Brandys und Monicas "This Boy Is Mine" ausschlachtete, bringt nun eine ironische Wendung in dieses Geschäftsmodell.
Der Hit von 1998 baut seinerseits maßgeblich auf einem Curtis Mayfield-Sample aus dessen letztem Album und dem Track "Just A Little Bit Of Love" auf. Man kann jetzt darüber streiten, ob Grande sich dessen bewusst ist, jedenfalls taucht Curtis in den Credits nicht auf. Perfekte Voraussetzung, um einen absoluten Curtis-Fan ihr neues Album rezensieren zu lassen. "The Boy Is Mine" muss nicht sein, bewegt sich von den Vorlagen zwar weg, stellt aber auch keine Sensation dar. Ihre Fans auf TikTok sind jedoch zufrieden, wie Reaktionen auf den Leak ihres unfertigen Retro-Stücks "Fantasize" zeigen.
Mayfield meinte in seinem Song Nächstenliebe, was auch die Liebe zu musikalischen Vorfahren einschloss, Ariana Grande meint mit Liebe die intime Liebe und in erster Linie sogar deren Verhinderung. Bei ihr herrscht entgegen des Albumtitels kein "ewiger Sonnenschein" vor, sondern es kommt zur Trennung (im Titelsong), zur Abrechnung inklusive Tiefpunkten ("Bye") und fruchtloser Paartherapie: "Spent so much on therapy / blamed my own codependency / but you didn't even try / When you finally did, it was at the wrong time" ("Don't Wanna Break Up Again").
Thematisch präsentiert Ari Alltags-Lyrik aus dem innersten Kreis des Pop. Es geht eben durchweg um gewöhnliche Dinge, "Ordinary Things". Die Songs stecken recht einheitlich in soften Plüsch-Arrangements, verziert vom zarten Säuseln der gebürtigen Eastcoastlerin. Dance-Beats treten in ihrer vorsichtigsten Prägung auf, bei "I Wish I Hated You" so streichelnd und minimal blubbernd, dass man fast von einem Acapella sprechen könnte.
Drei Mal, bei "Yes, And?", "Bye" und "We Can't Be Friends (Wait For Your Love)" kommt ein bisschen Disco-Feeling auf, jedoch tendenziell bassbefreit, lange nicht mit dem Schwung einer Dua Lipa oder einer unzertrennlichen Verschmelzung aus Vocals und Beats wie bei Jessie Ware, geschweige denn rhythmisch ansteckend wie bei Purple Disco Machine. Ariana klingt einfach niedlich und nett. In "We Can't Be Friends (Wait For Your Love)" legt Grande allerdings eine großartige Gesangsleistung hin, die ihren Mitbewerberinnen von Rita bis Zara durchweg abgeht.
Die Platte verbreitet mit ihren simplen Pop-Strukturen eine insgesamt positive, angenehme Stimmung und drängt sich nicht auf. Ein Funke springt nicht über. "Imperfect For You" hätte mit seiner schwelgerischen, sirupsüßen und verträumten Melodie durchaus das Zeug zum platinschweren Super-Welthit, zumal die 30-Jährige ihn überaus unbeschwert singt. Doch die Clap-Beats klingen unironisch im R'n'B anno 2000 stehen geblieben, fantasielos und billig. Vielleicht macht der Tune in Remix-Form noch Karriere.
"Supernatural" und "True Story" bieten fraglos super-eingängige Melodien, wobei "Supernatural" auch in einer Version mit Troye Sivan auf der "Slightly Deluxe Edition" vor allem vom Falsett lebt. In "True Story", dem perfektesten Stück des Albums, kritisiert Grande autobiographisch den Umgang der Boulevard-Presse mit ihr: "I'll play whatever you need me to (...) I'll be the one you love to hate." Ohne auf Beispiele einzugehen, wirft sie den Medien Verzerrungen und Lügen vor.
Die Gestaltungselemente Intro und Interlude als textliche Klammern zwischen Anfangs- und Schlusslied sowie die Verbreitung mehrerer Fassungen der gleichen Songs auf YouTube zeigen, dass Ariana fürs Longplay-Format eintritt. Ihr Team scheint jedoch nicht so genau einschätzen zu können, in welcher Form die Kompositionen am besten ankommen. Genug Potenzial für ein gutes Ariana-Grande-Album ist sicher vorhanden. Nach wie vor funktionieren die Songs auch auf "Eternal Sunshine" wieder vor allem aufgrund ihrer präsenten Stimme, die von der größtenteils flachen Musik ablenkt.
3 Kommentare mit 2 Antworten
Die flache Musik ist eine Sache, aber insbesondere mit der Stimme kann man mich jagen und ich weiß nicht, ob ich da einfach etwas nicht begreife. Über die Texte schweige ich mich aus. Immerhin hatte sie "Rain On Me" nicht ernstlich ruinieren können (oder sich nicht getraut), aber ein bisschen heftig sind diese zwei für mich unerklärlichen Sterne doch.
Also bis auf die Einschätzung von We Can't Be Friends seh ich das ähnlich. Zumindest was die Wertung betrifft: https://youtu.be/bwZKFw1wOkE
Interessiert - keine - Sau.
Mir gefällts. Mag ihre Stimme und die Musik ist irgendwie entspannend. Mögen da auch manche sagen, genau das wäre eben langweilig. Geschenkt. Aber 3/5 in der Wertung geht in Ordnung.
Meine Kritik geht eher in eine andere Richtung. Nach knapp 4 Jahren find ich 35:26 echt etwas wenig. Beyoncé bringt es da nach 2 Jahren auf 78:21. Das ist auf die Zeit gerechnet das 4 fache!