laut.de-Kritik
Wenn die Qualität stimmt, kann Sammet auch Lambada tanzen.
Review von Yan VogelDie wiedervereinigten und -erstarkten Helloween zählen zwar nach wie vor zur Metal-Speerspitze aus deutschen Landen, das Aushängeschild schlechthin heißt inzwischen allerdings Avantasia. Die haben den alten Recken um Goldkehle Michael Kiske und Veteran Kai Hansen mittlerweile locker den Rang abgelaufen.
Avantasias Mainman und Frontzampano Tobias Sammet lebt den jugendlichen Feuchttraum eines jeden angehenden Metallers. Jahr für Jahr versammelt er die besten Sänger und Musiker der Hartwurstszene um sich, um live und auf Konserve für Furore zu sorgen. Dabei lautet sein Wahlspruch offenbar: "Never change a winning team." Auf "Moonglow" finden sich jedenfalls zahlreiche Altbekannte, darunter Jørn Lande (Masterplan), Eric Martin (Mr. Big), Ronnie Atkins (Pretty Maids), Geoff Tate (Ex-Queensryche) oder Bob Catley (Magnum).
Die gewohnt hochklassige Produktion von Sammet-Sidekick Sascha Paeth überrascht aber auch mit ein paar neuen Namen, etwa Hansi Kürsch (Blind Guardian) oder Candice Night (Blackmore's Night), die den stark an Nightwish angelehnten Titelsong intoniert. Von "Moonglow" bis "Alpenglow" ist es quasi nur ein Sonnenaufgang. Wiederum andere sehen in dem Track starke Anklänge an "Moonlight Shadow" von Mike Oldfield.
Der überlange Opener "Ghost In The Moon" zieht den Hörer nicht nur mit seinem "Mystery Of A Blood Red Rose"-Textzitat in die Story um Anders- und Ausgegrenztsein und Realitätsflucht hinein, sondern greift den vom ESC-Vorentscheid bekannten Smasher auch musikalisch auf. Der Piano-lastige Track mit seinem facettenreichen Arrangement könnte auch aus der Feder von Meat Loaf-Komponist Jim Steinman stammen.
"Book Of Shallows" firmiert für Avantasia-Verhältnisse unter dem Banner "Good Friendly Violent Fun". Kreator-Keifer Mille Petrozza griff Sammet schon bei "Mysteria" von Edguys "Hellfire Club" unter die Arme und veredelt hier den mit reichlich Bay Area-Schlagseite nach vorn preschenden Mittelteil. Die Atkins-Nummer "Starlight" ist typischer Melodic Metal-Stoff, wie ihn Sammet schon häufig mit dem Pretty Maids-Sänger auf "Ghostlights" und "The Mystery Of Time" oder mit Ex-Priester Ripper Owens auf "The Wicked Symphony" vertont hat.
"The Raven Child" steht ganz in der Tradition epischer Nummern der Marke "The Scarecrow" und punktet mit einem getragenen, folkigen Beginn mit einem grandiosen Blind Guardian-Sänger, bevor Jørn Landes raues Organ die Seele in schwarze Gefilde führt, die in einem klassisch-bombastischen Finale mit Savatage-Chören ihre Bestimmung findet. Das balladeske "Invincible" leitet über zu "Alchemy", ein Duett mit Falsett-Gott Geoff Tate.
Die Qualität dieser Zwillings-Komposition überstrahlt alles, das die Prog Metal-Legende in den letzten zwei Dekaden fabriziert hat, und gehört mit "The Raven Child" zu den Highlights der Platte. Wem die Worte "sinfonisch" und "bombastisch" Pickel ins Gesicht treiben, der sollte diese Songs nur mit Oropax genießen. Für alle anderen fallen beide Songs unter die Kategorie "Genre-Offenbarungen".
"Lavender" ist typischer Catley Herz-Schmelz, wie es ihn in Form von "The Story Ain't Over" oder auf so ziemlich jeder Magnum-Veröffentlichung schon häufiger zu hören gab. Mit "The Piper At The Gates Of Dawn" sowie dem speedigen Kiske-Track "Requiem For A Dream" zieht der 41-jährige Hesse nochmal mächtig vom Leder, bevor die etwas unspirierte Cover-Version des "Flashdance"-Soundtracks "Maniac" die Tür zur Realität unsanft und abrupt wieder aufstößt.
Was im Endeffekt nichts am Status Avantasias als Genre-Primus ändert: Wenn, wie beim Rest der Platte, die Qualität stimmt, kann Tobias Sammet in Zukunft auch den Lambada tanzen und Lady Gaga covern.
10 Kommentare
Ist ne super schöne Platte u gleich bestellt. Die Musik ist ein Traum!
Hab' ab "Hartwurstszene" nicht mehr weitergelesen. Das ausgelatschte Vokabular vieler Metal-Rezensionen ermüdet irgendwann nur noch.
Maniac geht gar nicht.... Ansonsten gut aber irgendwie immer gleich, und irgendwie kenne ich die Melodien alle von irgendwoher.... moonlight ist diesmal allerdings die Blaupause von nigtwish, oder....
Oh mein Gott, was für ein mieses Album!
Ein Song wie der andere!! Packt ein!!
Tja, langweilig und nichtssagend trifft es wohl am meisten. Mehr Schein als Sein würde aber auch passen. Solange Fans aber für diesen Pseudo-Musical-Metal existieren freut sich der Künstler.
Wenn man sich lauter starke Gastmusiker ins Boot holt und der beste Song trotzdem Ghost in the Moon ist, dann hapert es leider doch irgendwo. 4/5