laut.de-Kritik
Mit göttlichem Beistand am Höhepunkt ihres Ausdrucks.
Review von Manuel BergerEs ist eigentlich völlig unerheblich, welche Songs Beth Hart singt. Dank ihrer Stimme und dem perfekten Umgang damit wird so ziemlich alles hörenswert. Live funktionierte das in den letzten Jahren immer noch ein wenig besser als auf Platte. Mit "War In My Mind" kommt sie der Intensität ihrer Konzerte in vielen Momenten aber erstaunlich nah. Das liegt auch an der fantastischen Produktion Rob Cavallos.
Bei den Pianoballaden "Sister Dear" und "I Need A Hero", wo Hart größtenteils allein performt, fängt Cavallo die Dynamik ihres Gesangs und Klavierspiels unmittelbar ein. Im Titeltrack gelingt die Balance zwischen ähnlich ruhigen, intimen Passagen und bombastischen Eruptionen. Überhaupt liegen Cavallo, der einst Green Day zu Reprise/Warner holte und seit "Dookie" mit ihnen zusammenarbeitet, mittlerweile die großen Gesten: "Rub Me For Luck" könnte problemlos den nächsten James Bond-Film eröffnen. In dem opulent-sinfonischen Stück greifen Streicher, atmosphärische Gitarren, Bläser und Harts dramatisches Klavierspiel perfekt ineinander. Die Sängerin trägt den Song mit der Franchise-typischen Balance zwischen sexy, düster, melancholisch und gefährlich. Ein gesanglicher Parforceritt, zum Abschluss gekrönt von markerschütternden "Love"-Schreien.
Nicht die kraftvolle, sondern die verletzliche Seite ihrer Stimme zeigt Hart in "Let It Grow". Mit zittrigem Vibrato intoniert sie die Strophen, so als stünde sie kurz vor einem Weinkrampf. Textlich verarbeitet sie von Sucht und Selbstzweifeln geprägte Perioden ihres Lebens. Mithilfe eines Gospel-Chors verleiht sie dem Stück dennoch ermutigende Impulse und nimmt zugleich Bezug auf ihren Glauben an Gott, was ihr maßgeblich den Weg zur Besserung ebnete.
Auch "Thankful" ist ein Loblied darauf und bescherte ihr laut eigener Aussage sogar ein übernatürliches Erlebnis mit Co-Songwriter Rune Westberg: "Plötzlich fühlte es sich so an, als wäre Gott persönlich in den Raum gekommen. Wir weinten beide, weil wir uns in diesem Moment fühlten, als hätten wir einen Vorgeschmack auf den Himmel bekommen." Auch als Atheist wird man den wundervollen Melodielinien des Stücks einiges abgewinnen können.
Als Gegengewicht zum dick aufgetragenen Pathos erwähnter Songs, lockern "Bad Woman Blues", "Try A Little Harder", "Spanish Lullabies" und "Sugar Shack" das Album auf. "Bad Woman Blues" beglückt gleich zu Beginn all jene, die Hart vor allem für ihre auch des Öfteren mit Joe Bonamassa zelebrierten Bluesrock-Energie lieben. Bei "Try A Little Harder" tänzelt sie mit tongue-in-cheek-Groove und improvisierter Lautmalerei durchs Spielkasino. Flamenco-Gitarre und schwüle Western-Vibes durchziehen "Spanish Lullabies" und animieren eher zu fröhlicher Abendunterhaltung als zum Einschlafen. Hat man so ähnlich zwar schon zigmal anderswo gehört (genau wie den konturlosen Soulrock von "Sugar Shack" und den Nancy Sinatra-artigen Dark Blues von "Woman Down", der gegen Ende etwas gewollt gen bombastischen Endzeitsoundtrack abbiegt), doch Hart zieht durch ihren Ausdruck selbst solche eher durchschnittlichen Kompositionen auf hörenswertes Level.
Hart balanciert virtuos auf dem Grat zwischen Bluesstandard-Material und stilistischen Experimenten. Versatzstücke von R&B, Soul, Gospel, Singer/Songwriter, Funk'n'Roll und Jazz drängen nicht in den Vordergrund, sind aber allgegenwärtig. Es gibt derzeit wohl niemanden, der diese Bereiche stimmlich kraft- und eindrucksvoller verknüpft als sie. "War In My Mind" ist kein essenzielles Album im Sinne davon, dass man unbedingt diese Songs gehört haben muss. Doch es dient als schillerndes Zeugnis für die Fähigkeiten einer Ausnahmekünstlerin.
2 Kommentare
Beth ist keine Sängerin im klassischen Sinn, sie lebt ihre Songs. Niemand kommt auch nur annähern an ihre Intensität heran. Klare 5*.
Man hört Beth Hart nicht zu, man fühlt sie!