laut.de-Kritik
Glücksbärchen auf 'nem Haufen Geld.
Review von Lisa Wörner"Es war jetzt ein Jahr mucksmäuschenstill. Deutscher Rap lebt wieder und ich hab jetzt Lust, ihn zu killn. Das ist jenseits von Gut und BBBBBöse. Bin der König hier im Dschungel wie ein Löwe." Na, da erwartet man doch das übliche Löwengebrüll. Doch "Jenseits von Gut und Böse", Bushidos zehntes Studioalbum im zehnten Jahr seiner Rapper-Laufbahn, zeigt uns einen etwas anderen Rapper.
Niemals zuvor habe er so wenig "Make up" getragen, gesteht Bushido im Interview mit Mixery Raw Deluxe. Der Hardliner lässt seine Maske fallen und offenbart uns einen frisch gebackenen Hans im Glück. Was so eine Bandscheiben-OP nicht alles bewirken kann ...
Da trifft man auf einen ausgeglichenen, lebensfrohen Rapper, der sich eventuell aufkommende Hassgefühle mit einem Glas frisch gepresstem Orangensaft runterspült, denn: "Ich bin mir einfach darüber im Klaren, dass wenn man etwas Positives haben möchte, man auch etwas Positives geben muss. Und ich schaffe es einfach immer mehr, mit mir zufrieden zu sein." Sogar die ewig währende Fehde mit Erzfeind Sido hat er - wohl gemerkt über Twitter - begraben.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallts auch heraus. Das Prinzip hat Bushido jetzt wohl kapiert und freut sich diebisch darüber, wenn er nun auch den Eltern seiner Fans auf den Konzerten ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Bei Taff bezeichnet er seine Konzerte inzwischen als ein "richtig schönes Familienausflugsereignis".
Avanciert der ehemals härteste Rapper Deutschlands zum Volkssänger? "Ich wär so gern ein Sonnenschein, wie Du, den jeder liebt." Dieser Satz aus dem Track "Gesucht und Gefunden" klingt ganz und gar nicht mehr nach dem Rebellen von einst, sondern eher wie die Sehnsucht eines kleinen Jungen, endlich von allen akzeptiert zu werden.
Dank seines Geldes und seiner Beziehungen kann er sich zumindest einen Kindheitstraum erfüllen und mit Größen wie DJ Premier, Swiss Beatz oder Booba gemeinsame Sache machen. Dass diese Features und Produktionen sein Album enorm aufwerten, ist natürlich nur angenehmer Nebeneffekt.
Auch über seine Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo freut sich Bushido wie ein kleiner Junge. "Du bist ein Mensch" wird sicherlich der Chartstürmer in Deutschland werden. "Du bist nicht schlecht. Du bist nicht böse. Du bist nicht der Kleinste und auch nicht das Größte. Du bist ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger. Jäger oder Prediger. Poet und Legastheniker. Du bist ein Mensch." Der Track ist eine durchaus gelungene, nachdenkliche Nummer in typischer Xavier-heal-the-World-Attitüde, die der Intention des Albums Rechnung trägt: Bushido, der Mensch als Mensch, jenseits von Gut und Böse.
Außerdem schüttelt Bushido gleich noch einen zweiten Herzensbrecher aus dem Ärmel, nämlich die erste Singleauskopplung "Vergiss' Mich" mit Soulsänger J-Luv. Julian, der schon mit wichtigen deutschen Hip-Hop-Acts wie Azad, Dendemann, Kool Savas und Samy Deluxe gearbeitet hat und 2009 als Backgroundsänger für Peter Fox mit auf Tour ging, ist mit einer wunderbaren Soulstimme gesegnet, die der Platte den gefühlvollen Softieanstrich verpasst.
Ein Lied über enttäuschte Liebe und Herzschmerz: "Du Stück Scheiße, bist bedauerlich. Gib mir nur den Augenblick, um Tschüß zu sagen. Du hast kein Respekt und deshalb kann man von dir nichts erwarten. Du bist nur noch Dreck." Da kommt dann doch noch der alte Bushido durch. Schluss machen auf dem AB ist ja aber auch wirklich nicht die feine Art - nur auf 'nem Postit wäre vielleicht noch schlimmer.
Mit "Wärst Du immer noch hier?", die zweite Single, schafft Bushido einen emotionsgeladenen Solotrack: "Wärst du immer noch da? Wärst Du immer noch hier? Selbst, wenn ich mal alles verlier? Bist du da, wenn keiner mehr mich kennt, oder steh ich hier allein und kämpf?" Die Angst des kleinen Hans in der weiten Welt auf weiter Flur allein gelassen zu werden, verpackt in einen recht schönen Beat, berührt schon glatt ein wenig.
Unser Frauenheld hat wohl einige miese Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht gemacht, "Schlechte Zeiten" durchlebt. Sind eben doch alles Schlampen außer Mama. Der widmet Bushido seinen Track "Dankbar" feat. J-Luv, "die einzige Frau, die mein Glück will" und die einzige, die ihren Bub halt einfach so liebt, wie er ist. "Maaaamaaaaa, ich wollte nie hier sein - du hast mich nicht einmal gefragt. Und trotzdem bin ich dir dankbar. Es war ein Geschenk, das du mir gabst. Ich liebe dich." Ich bin ja auch für mehr Respekt und Dankbarkeit den Eltern gegenüber, aber wäre es nicht Julians wunderbare Soulstimme, die jammerte, würde der Schmalz wahrscheinlich auf ewig die Gehörgänge verstopfen.
Trotzdem: Wer in dieser Form zu seiner Mama steht - das wissen wir doch alle - wird endlich erwachsen. Bushido selber sagt: "Ich werde dieses Jahr 33, habe wirtschaftlich ausgesorgt und da ist einfach nichts mehr groß mit Straße ... Es gibt außerdem genug Rapper in Deutschland, die dieses Straßending bis zum Schluss vergewaltigen, mehr oder weniger erfolgreich."
Mit "Gangster" (feat. DJ Premier) liefert er allerdings noch mal eine gelungene Straßennummer mit gechilltem Flow und den typischen Premo-Scratches: "Der Sound hier ist Brooklyn, Bronx und Paris mit einer kleinen Brise Beton aus Berlin ... Gangster- ich hab es tief in mir drin, ich bin für die Musik hier bestimmt."
Eine typische Boom-Boom-Gangster-Nummer ist auch "Die Art, wie wir leben" feat. Booba. Deprimierender Beat, deprimierende Raps: "Sieh es ein, du fällst auf. Geld raus und jetzt lauf." Peng. Hmm. War nix.
Ein absolutes Highlight dagegen ist "Mo'f**ka" mit Swizz Beatz. Der unglaublich coole Groove im Rap von Swizz auf einem Beat, den er ursprünglich für die EP von Kanye West und Jay-Z produziert hatte, lässt Bushido zwar etwas verblassen, man muss aber fairerweise zugeben, dass auch er einen überraschend sauberen Flow drauf hat.
In "Verreckt" scheint das Schwarze Schaf Deutschlands das zuletzt kolportierte Interesse an DSDS ad absurdum zu führen: "Ihr seid mir alle viel zu Beverly Hills und diese Möchtegern-Topmodels fressen nur Pillen. Egal, ob Popstars oder DSDS, in meinen Augen seid ihr alle nur Dreck. Das bisschen Fame hier nehm ich euch weg - verreckt!"
Mit "Jenseits von Gut und Böse" liefert Bushido ein sehr aufwändig produziertes Album ab. Wie authentisch der neue, makeupfreie Bushido ist, sei dahingestellt. Dass er aber endlich erwachsen zu werden scheint und auch in seiner Musik zu dem steht, was er inzwischen ist - nämlich ein zufriedenes Glücksbärchen auf 'nem Haufen voll Geld - ist durchaus eine positive Entwicklung.
79 Kommentare mit einer Antwort
Das hat Nietzsche nicht verdient...
Ich bin absolut kein Bushido-Fan, aber die Kritik klingt überhaupt nicht nach 2 Punkten.
Wenn dem also so ist und Bubu als 33jähriger endlich der Pubertät entgleitet, dabei bemerkt dass er dank der "Echta Gangsta"-Schiene wirtschaftlich ausgesorgt hat, warum belästigt er uns dann immer noch mit diesem schleimigen Auswurf, den er als Musik bezeichnet, anstatt sich wie jeder geläuterte Ex-Bad Boy für einen Posten als UN-Botschafter zu bewerben?!
Jenseints von Gut und Böse...nein das wohl nicht gerade aber duch ein gutes ALbum.
Bushido ist hier doch sehr gut drauf was den Flow angeht.
Highlights gibts auf dem Album eine ganze Menge: "Dankbar" "Wärst du immer noch hier" "Schick mir einen Engel" "Verreckt" "Gangster" und "Nichts ist für immer" sind allesamt sehr gute Tracks die mir gut gefallen.
Daneben gibt es wie eigentlich immer solide Tracks "Wie ein Löwe" "Vergiss mich" und natürlich auch Lowlights, hier stechen vor allem "Hassliebe" und "Cash Money Brothers" und auf der erweiteren Edition "Buisness" negativ hervor, was auch aber nicht nur an Kay One liegt.
Der Beste Track findet sich auch auf der Deluxe Edition, "Gestern war gestern" ist für mich das Beste Lied von Bushido überhaupt und der Grund dass ich dem sonst durchschnittlichen Album 4 Sterne gebe.
Aha, der "Realrapfan" gibt der Platte also 4 Sterne? Ich würde da doch glatt drei abziehen. Könnte auch "Zeiten ändern Dich II" heißen, nur hier hat Bushido halt keinen Film, den er bewerben muss - und somit hat er eigentlich gar nix zu sagen. Zusammen mit dem Filmsoundtrack der absolute Tiefpunkt in seiner DiskoMiskografie. 1/5.
soulburn : Ganz einfach. Bushido ist ein durch und durch perfekter Geschäftsmann. In seiner gesamten Karriere, wusste er bisher immer, welche Knöpfe er drücken muss, damit er weiterhin Dick im Geschäft ist. Er hat nicht umsonst seine Millionen gescheffelt und das macht er auch wieder mit "Black Friday". Er hat neue Künstler wie "Laas", "Ak Ausserkontrolle", "Samra 45" und die werden ihr Ding durchziehen. In Verbindung mit dem Album konnte Bushido dafür wieder einiges an Aufmerksamkeit für sich ausschöpfen und wieder ist er sehr erfolgreich mit seinem Album. In Deutschland gibt es keinen anderen Rapper, der so kalkuliert agiert wie Bushido.
Doc Souli wird sicherlich hocherfreut sein endlich eine fundierte Antwort auf seine Frage bekommen zu haben, die ihm seit über 6 Jahren unter den Nägeln gebrannt hat
Endlich kann er wieder ruhig schlafen. Danke Sonnyblack745