laut.de-Kritik
Mega-Features, böse Synthies und Süßholzgeraspel.
Review von Fabian MerloNicht ganz zu Unrecht gilt P. Diddy vielen als Sinnbild der Kommerzialisierung und Verwässerung des Raps, besticht er doch vor allem mit seinem guten Riecher fürs Business - was nicht zwangsläufig in guter Musik resultiert. Manchmal jedoch schon, wie zuletzt die von ihm protegierte Janelle Monáe bewies. Und die Unterstützung von Biggies Karriere nimmt Diddy wohl auch niemand übel.
Da sich Mr. Combs zuletzt anscheinend ab und zu in den Discos von Ibiza rumtrieb, hat nun auch er die Vermischung seines urbanen Sounds mit Electro entdeckt, also dem Mix aus Hip Hop, R'n'B und dem, was der Amerikaner gemeinhin unter europäischer Musik versteht.
Leise Befürchtungen wurden schon wach, als Diddy von einer Mischung aus "Italo-Disco, Pop-Rap, Tech-House und dem Sound von Bad Boy" sprach. Zudem handelt es sich bei "Last Train To Paris" um ein Konzeptalbum: Die Scheibe erzählt die Geschichte seiner Reise von London nach Paris auf der Suche nach einer verlorenen Liebe.
Da er nicht nur die männliche Seite der Geschichte erzählen wollte, holte sich Diddy Sängerin und Songwriterin Kalenna Harper sowie Dawn Richards, die er einst bei "Making The Band" selbst entdeckte und die später bei Danity Kane sang, mit ins Boot. Auf dem Papier klingt das nach Süßholzgeraspel untermalt von Eurodance-Retorten-Sound, bei dem die Black Eyed Peas fröhlich grüßen lassen. Glücklicherweise nur auf dem Papier.
Die Fokussierung auf alle möglichen Schattierungen einer Beziehung und die damit verbundenen zahlreichen Emotionen sind zwar über die Länge von 16 Tracks durchaus anstrengend, das Überschreiten der Kitschgrenze hält sich aber in Grenzen. Musikalisch widersteht Diddy der Verlockung, auch die hinterletzte Dorfdisco erreichen zu wollen. Die Ansage "This is a brand new sound that's gonna change your life" ist freilich etwas hoch gegriffen, doch tatsächlich findet man einige überaus eigenständige Stücke auf "Last Train To Paris".
Dies nicht zuletzt dank Produzent Danja, dessen drei Beiträge mit einer Kombination aus bösen Synthies und Basslines sowie dem richtigen Gespür für Melodien gefallen. Swizz Beatz' Beitrag "Ass On The Floor" überzeugt mit stetigen Melodiewechseln und ansteckendem Rhythmus. Auch Diddys Solobeitrag "Someone To Love Me", das mit leichten Reggae-Einflüssen musikalisch aus dem Rahmen fällt, geht bestens durch.
Fährt er für "Shades" mit Justin Timberlake, Lil Wayne, Bilal und James Fauntleroy ein Staraufgebot auf, geht man davon aus, dass Taktiker Diddy hier die Charts direkt ins Visier nimmt. Doch sorgen der sperrige Beat und das ungewöhnliche Arrangement dafür, dass Kreativität über Radiotauglichkeit siegt.
Soviel zu den guten Nachrichten. Letzen Endes fehlte Diddy dann aber doch der Mut, eine ordentliche Platte zu machen, die in den oberen Regionen der Charts keine Rolle spielt. Ein Anzeichen dafür ist schon die übertrieben lange Gästeliste. Zwar ergeben gewisse Features durchaus Sinn und zeigen auch Diddys Erkenntnis, seine limitierten musikalischen Fähigkeiten zu kaschieren.
Wenn dann allerdings Weichspüler wie Usher, Chris Brown oder Trey Songz zu Werke gehen, sehnt man sich gleich noch mehr nach den oben erwähnten Songs. Mit diesen unnötigen Features, zu seichten Hooks und einigen Produktionen, die sich nicht vom R&B-Einheitsbrei abheben können, manövriert sich die Diddy in die Beliebigkeit. Und wieso er zwei starke Stimmen ins Boot holt und dann derart viele Gesangsgäste einlädt, bleibt ebenfalls ein Rätsel.
Somit hat unter dem Strich der Geschäftsmann Sean Combs über den Künstler Diddy gesiegt. Irgendwie ärgerlich, findet man doch einige der besten und innovativsten Songs aus Diddys Diskografie auf "Last Train To Paris".
13 Kommentare
musik die kanye schon gestern besser gemacht hat.
Klare 4/5, habs schon sehr oft gehört und tu's immer noch gern, hätte ich Diddy so nicht zugetraut, schönes, melodiöses und abwechslungsreiches Album.
Braucht niemand und 3/5 ist deutlich zuviel.
@lautuser (« Welcher nationale Künstler wird denn für derartigen Rap gefeiert? »):
Hafti ;P
Ne, glaube nicht, dass Hiops Hafti meinte.. das wäre ja abstrus.
Lieber Freudenhausleiter Combs, hören Sie bitte auf tote Leute zu feauteren. Ansonsten liegt ein (nach der single beurteilt) Durchschnittsrapalbum vor.