laut.de-Kritik
Hinein in die sommerliche Italo-Disco-Leichtigkeit.
Review von Rinko HeidrichVerloren und gefunden. Verloren hat Frank Spilker seine langjährigen Bandmitglieder Thomas Wenzel und Schlagzeuger Christoph Leich, die innerhalb der letzten anderthalb Jahre die Hamburger Band verließen. Gefunden hat der hünenhafte Die Sterne-Sänger zum Glück neue Mitstreiter. Die Von Spar-Mitglieder Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch bilden nun die neue Rhythmusgruppe, ansonsten gab es ordentlich Schützenhilfe von Kaiser Quartett, Carsten 'Erobique' Meyer und Düsseldorf Düsterboys.
Wehmütig oder verbittert nach hinten zu schauen lag sicherlich sehr nahe. Das Ende einer langen Beziehung verschafft aber auch Freiheiten. "Der Sommer In Die Stadt Wird Fahren" vertreibt die grauen Gedanken an das Vergangene und schafft Platz für neue Sehnsuchtsträume. Vorbei die Zeit der dunklen Schwermut, hinein in die sommerliche Italo-Disco-Leichtigkeit mit Streichern, die absolut nicht unangenehm an James Last erinnern.
Pflichtbewusstsein, das deutsche Lebenselixier, muss draußen bleiben. "Du Musst Gar Nix" heißt die endgültige Sterne-Verweigerung an den germanischen Leistungszwang. Ein beschwingter Easy Listening-Song über die totale Entkrampfung. "Du musst dich nicht optimieren/ Du musst nicht doppelt so viel wie die Anderen arbeiten" ist nur einer von vielen interessanten Gedanken über das Leistungsprinzip des Müssens.
Sieben Minuten dauert diese Würdigung des Laissez Faire. Ebenfalls so viel Zeit nimmt "Das Elend Kommt (Nicht)" in Anspruch. Eine fast schon jazzproggige Spoken Word-Beobachtung über die falsche Kategorisierung und Neu-Definition von rechtem Gedankengut. Das Elend kommt jedenfalls nicht mehr "mit Fakelmärschen oder trägt Springerstiefel". Der Feind ist schon längst in der gesellschaftlichen Mitte angekommen, trägt "eine schicke Frisur, spricht eine Sprache die jeder verstehen kann und geht arbeiten".
Unkonventionell klingt auch "Halbvergangener Tag". Ein exotischer Sitar-Klang führt komplett in die Transzendenz. Die derzeit omnipräsenten Düsseldorf Düsterboys drücken mit Psychedelic Folk und ihren traumversunkenen Stimmen auch als Gäste dem Song ihren Stempel auf. So weit weg von den Sternen war bisher selten, auch was die Phrasierung der Stimme angeht. Spilkers ironisch euphorischer Gesang weicht einem nachdenklichen Murmeln.
In Gänze stellt das selbstbetitelte Album aber keinen großen Bruch dar. Als vor zehn Jahren das Dance-Album "24/7" erschien, war das noch anders. Das Sterne-Grundgerüst aus Funk, Diskurs und Indie bildet immer noch die Basis. Der Krautrock-Ansatz der Von Spar-Jungs und der Disco-Sound von Erobique führt die musikalischen Ideen behutsam auf einen experimentelleren Weg und beendet den Stillstand, der letztendlich auch Schuld an der Auflösung des alten Band-Gefüges war.
Selbstbetitelte Alben stehen oft für eine konzeptionelle Standortbestimmung, aber diese Platte funktioniert auch ohne Drehbuch. Die Improvisation funktioniert unter der Regie von Spilker sehr gut, die Nebendarsteller aus anderen Bands und Ländern bringen sich ein und inspirieren den Meister zu einer Neuinterpretation darüber was Die Sterne nun sind und werden könnten: Ein loses Kollektiv ohne Zwang und neue Visionen.
2 Kommentare mit einer Antwort
"Du musst dich nicht optimieren/ Du musst nicht doppelt so viel wie die Anderen arbeiten" ist nur einer von vielen interessanten Gedanken über das Leistungsprinzip des Müssens.
Wohoooooooo... Jetzt aber Mal ganz langsam. So einen deepen Scheiß einfach ohne professionelle Einordnung auf den Leser loszulassen. Ganz schön gewagt. Hat Prinz Pi hier seine Hände mit in Spiel gehabt? Wundern würde es mich nicht, dieser Tausendsassa.
Für mich das beste Sterne Album seit „Das Weltall ist zu weit“. Hätte n bisschen mehr Aufmerksamkeit verdient.
Hätten die grundguten Sterne ohnehin.
Album gefällt mir schon beim ersten Durchgang recht gut.
"Du musst gar nix" ist super.
Erste Teil des Albums klingt imho ein wenig wie Belle and Sebastian mit deutschen texten.