laut.de-Kritik

Eine Reise ins Unbewusste, frei von gängigen Black Metal-Klischees.

Review von

Gaahls Wyrd legten vor rund vier Jahren mit "The Humming Mountain" ein recht getragenes Kurzformat vor, das viel Raum für eigene Gedanken ließ. Auf "Braiding The Stories" lässt die Band um Ex-Gorgoroth-Vokalist Kristian Espedal alias Gaahl wieder mehr die Gitarren für sich sprechen, ohne das Konzeptuelle zu verwerfen. Inhaltlich geht es um das Unbewusste, um unberechenbare (Alb)Träume.

"The Dream" knüpft mit dreampoppigen Saitenklängen, folkiger Begleitung sowie halb gesprochenen, halb sanft gesungenen Worten textlich und musikalisch an "The Sleep", dem finalen Track von der letzten EP, an. Im Titelstück verdeutlichen Gaahls Wyrd mit getragenen, atmosphärischen Sounds, schwermütigem Gesang und postrockigem Spannungsaufbau in der Mitte, dass sie nur wenig Interesse daran haben, die Old School-Black Metal-Flagge in Ehren zu halten, sondern künstlerisch vielmehr auf eigenen Füßen stehen möchten.

Dennoch schwingt die Band nach der gespenstischen, bedrohlichen Überleitung "Voices In My Head" in "Time And Timeless Timeline" für rund drei Minuten die Doublebass-Keule, sorgt aber mit ein paar psychedelischen Feinheiten und einem kurzen Moshpart zwischendrin dafür, dass die Nummer nicht zu eintönig gerät. Espedal verzichtet in dem Track auch durchgängig auf schwarzmetallische Vocals und verlässt sich auf seine ruhigen, beschwörenden Qualitäten als Vokalist. Ebenso wie in "And The Now", das in der ersten Hälfte einen atmosphärischen, postpunkigen Vibe, aufgelockert von hellen Gitarrenmomenten, besitzt und in der zweiten Hälfte in rituelle, albtraumhafte Sphären führt.

Im kurzen Zwischenstück "Through The Veil" kommen oldschoolige Black Metal-Töne wieder einmal zur Andeutung, während in "Visions And Time" düstere Geisterchöre auf Gaahls beklemmende Vocals und avantgardistische Sounds treffen. Dabei hält ein leicht gothrockartiges Flair die recht sperrige Nummer zusammen. "Root The Will" tanzt mit seiner Mischung aus klassischen Heavy Metal-Anleihen à la frühe Iron Maiden und schleppend doomigen Passagen schon fast ein wenig aus der Reihe. Dafür tritt mit fesselnden Spoken Words, heiserem, zornigem Gesang und gefühlvollen Momenten die stimmliche Bandbreite des Ex-Gorgoroth-Sängers in dem Track am deutlichsten zu Tage.

"Flowing Starlight" stellt einen Rausschmeißer mit wavigem 80s-Flair dar, der mit seiner recht hellen, aber dennoch melancholisch verträumten Ausrichtung, geprägt von flirrenden, melodischen Saitentönen, der Musik noch ein wenig mehr Luftigkeit und Wärme hinzufügt. Jedenfalls stellt sich die Frage beim Hören erst gar nicht, ob sich die Platte unter Black Metal oder eher unter Goth Rock, Progressive Metal, Post-Metal oder gar Ambient einordnen lässt. Vielmehr haben sich Gaahls Wyrd einen eigenständigen Sound erspielt, der reichlich Tiefsinniges bietet und sich mehr an aufgeschlossene Hörer richtet denn an engstirnige Puristen.

Wenn die Band die verschiedenen Elemente und Einflüsse noch ein wenig schlüssiger und zu einer zugänglicheren, kompakteren Einheit verwebt, steht einem ganz großen Wurf nichts mehr im Wege. Einige spröde Ecken und Kanten erschweren nämlich noch etwas den Zugang zur Musik. Trotzdem sollte man der Reise der Norweger ins Unbewusste unbedingt folgen.

Trackliste

  1. 1. The Dream
  2. 2. Braiding The Stories
  3. 3. Voices In My Head
  4. 4. Time And Timeless Timeline
  5. 5. And The Now
  6. 6. Through The Veil
  7. 7. Visions And Time
  8. 8. Root The Will
  9. 9. Flowing Starlight

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3 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor einem Tag

    Puh, mir ist der Mann in den letzten Jahren viel zu esoterisch geworden. Das schlägt sich auch in der Musik nieder.

    • Vor 23 Stunden

      Ich finde den Lebenswandel ja eher zu begrüßen. Früher hat er leider ziemlichen Mist angestellt. Da ist mir dieses Esoterische um Meilen lieber als sein Öffentlichkeitsbild davor.

  • Vor 16 Stunden

    Wikipedia: Er bezeichnete „Nigger“, „Mulatten“ und Muslime als „Untermenschen“.

    Das ist mir persönlich genug Black Metal-Klischee, um mit diesem Typen nichts zu tun haben zu wollen.

    • Vor 10 Stunden

      Die Aussage hat er 1995 getroffen, ist also schon 30 Jahre her. In einem Rock Hard-Interview von 2008 hat er das Ganze auch erklärt.

      "Would you call yourself a one-time die-hard Nazi?"

      Gaahl: "No, there was no political disposition not with me nor any of my friends. But you had to profess allegiance to a certain group if you wanted to defend yourself and not get your ass kicked. I think we all my friends at the time as well as myself felt that way but some of them drifted off into politically extreme circles."

      Was den weiteren Mist in seiner Karriere angeht, den er verzapft hat, hat er seine Strafe auch verbüßt und scheint während seiner Haft auch zur Einsicht gekommen zu sein.

    • Vor 10 Stunden

      Leider bloß eine englische Übersetzung gefunden, da bei Rock Hard hinter einer Paywall versteckt.

  • Vor 14 Stunden

    Dieser Kommentar wurde vor 14 Stunden durch den Autor entfernt.