laut.de-Kritik

Über die finstere Seite des Verlangens.

Review von

"Das Leben gehört dem Lebendigen an, und wer lebt, muß auf Wechsel gefaßt sein." (Johann Wolfgang von Goethe - Wilhelm Meisters Wanderjahre.) Sechs Jahre nach "Get Color" und drei Jahre nach dem Soundtrack zum Videospiel "Max Payne 3" lassen Health auf "Death Magic" den Pop in ihre düsteren Dungeons vordringen.

Während Toningenieur Andrew Dawson (Kanye West, Beyoncé, Pet Shop Boys) diesen fest im Blick behält, drückt vor allem Produzent Bobby Krlic aka. The Haxan Cloak, der zuletzt mit seinem Album "Excavation" und der Zusammenarbeit mit Björk auf "Vulnicura" dem dritten Health-Longplayer einen deutlichen Stempel auf. Basslastig, böse und betörend stülpt er sein Klangbild über "Death Magic".

"'Excavation' klang finster und heavy as fuck. Es zeigte, dass wenige Elemente im Mix die Sache vollkommen verrückt klingen ließen", erklärt Health-Sänger Jake Duzsik, wie die Wahl auf Krlic fiel. "Genau deswegen waren wir so scharf darauf, mit ihm zu arbeiten. Wir wollten, dass es eine kraftvolle Platte wird."

Die Neujustierung fiel der Gruppe aus Los Angeles schwer. Bis sie mit dem Ergebnis zufrieden waren, landete "Death Magic" vier Mal komplett im Papierkorb. Ihrer Grundsubstanz und ihrer dunklen Seele bleiben sie treu, doch mischen sie diese ordentlich durch und setzten einen klar struktuierten Fokus. Health zeigen sich deutlich zugänglicher und gesitteter, legen ihre zerstörerische Kraft aber nicht vollkommen ab. Einflüsse von Depeche Mode, Crystal Castles und vor allem New Order, lassen ihren ehemaligen Lärm zur Seite treten.

"Death Magic" verhält sich zu "Get Color" wie "Power, Corruption & Lies" zu "Movement". Sollten sich New Order in ihrem Umgang mit synthetischen Sounds noch so visionär wie in ihren Anfangstagen zeigen, anstatt sich strickt an ihre Trademarks zu klammern, müsste das bald erscheinende "Music Complete" wie "Death Magic" klingen.

Vor allem Duzsiks Stimme und Melodie, die erstmals deutlich im Mittelpunkt stehen, drängen diesen Vergleich auf. Früher nur als verzerrtes Instrument eingesetzt, bläst er sein Trübsal nun verträumt in die Welt hinaus. Dagegen vermischt sich Benjamin Jared Millers Schlagzeugspiel nun mit elektronischen Komponenten und entwickelt eine Wucht, wie man sie zuletzt im Soundtrack zu "Mad Max: Fury Road" erleben konnte.

"And we both know love's not in our hearts" lautet Duzsiks Mantra im zerklüfteten "Stonefist". Industrial-Aggression prügelt sich mit unterkühlten Synth-Pop. Brodelnde Rave-Beats kollidieren mit "Black Celebration". Eine hektische Hi-Hat legt sich in "New Coke" über EDM- und Dubstep-Elemente, bilden eine geheimnisvolle Atmosphäre. Der Bass setzt gezielte Nadelstiche.

Die Texte, die die finstere Seite des Verlangens in den Mittelpunkt stellen, bleiben spartanisch, sagen in ihrer Schlichtheit aber mehr aus als manch Wortschwall. "It's not love, but I still want you", singt Duzsik in "L.A. Looks" in Dauerschleife. Der frische Dance-Pop mit seiner House-Bassline und den Synthesizer-Salven wirkt wie der erste sachte Sonnenstrahl nach einer langen Nacht. Für den alteingesessen Fan wohl die größte Herausforderung des Albums: Der Winter kommt nicht, er liegt bereits hinter uns.

Das weitaus härtere "Flesh World (UK)" fügt eine düstere Bridge mit Club-Sounds zusammen. "All the bones grew strong before they broke / All the blood runs hot before its cold." Die unterschiedlichen Fragmente finden dank der ihnen innewohnenden Energie zusammen. Dem hypnotischen Goth-Pop "Dark Enough" mit seinem einlullenden Beat stehen die brutalen Ausbrüche in den von Miller voran gepeitschten "Men Today" und "Salvia" entgegen.

Der "Death Magic" eines an der Luft sterbenden Fisches folgend, bewegen sich Health auf ihrem dritten Longplayer ruckartig durch die verschiedensten Genres. Unter dem Dach des undurchdringlichen Klangs der Platte finden die unterschiedlichsten Einflüsse wieder zueinander. Eine frostklirrende Umgebung, in der sich Health zu Ohrwurm-Lieferanten und Bobby Krlic endgültig zu einem herausragendem Produzenten mausern. "Let the guns go off / Let the bombs explode / Let the lights go dark / Life is good."

Trackliste

  1. 1. Victim
  2. 2. Stonefist
  3. 3. Men Today
  4. 4. Flesh World (UK)
  5. 5. Courtship II
  6. 6. Dark Enough
  7. 7. Life
  8. 8. Salvia
  9. 9. New Coke
  10. 10. L.A. Looks
  11. 11. Hurt Yourself
  12. 12. Drugs Exist

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Health

Es hat schon selbstironische Züge, seine Band Health zu nennen. Noch dazu, wenn man sich auf brutal anmutenden, experimentellen Noiserock spezialisiert …

4 Kommentare mit einer Antwort