laut.de-Kritik

Blues Straight Outta Compton.

Review von

Keb' Mo' slided quasi "Straight Outta Compton". Der Einstieg "Good To Be (Home Again)" beschreibt ein besonderes Zuhause: Die kalifornische Stadt Compton brachte neben Dr. Dre und Kendrick Lamar auch den heute 70-jährigen Kevin Roosevelt Moore hervor, und dort setzte der ergraute Junggebliebene während des Lockdowns das Haus seiner verstorbenen Mutter instand.

Zudem besann er sich alter Zeiten und Freunde und spielte eine Retro-Platte ein. Seit langem residiert der Musiker gleichwohl in Nashville, der homegrown Country kommt aber nur in Spurenelementen vor (etwa bei "Louder" als fusionierter Country-Bluesrock-Soul.

Ein Fall für die Charts war der Kalifornier nur ein Mal, sein größter Hit datiert auf 2017: Platz 17 in der Schweiz, ein Duett mit Blues-Veteran Taj Mahal. Mo', flexibler Musiker an sechs Instrumenten von Slide-Gitarre über Banjo bis Keyboards, genießt dennoch seit den 90ern einen guten Ruf unter Grammy-Juroren, Hörfunk-DJs, Kritikern und einem treuen Live-Publikum.

Beim ersten Durchlauf könnte man die Scheibe abtun und sagen: 'Ach komm, sowas hat man doch schon hunderte Male gehört'. Gerade angesichts des standardisierten Country-Pops "Good Strong Woman" oder der dahin plätschernden Konfektionsware "Like Love". Diese Tracks sind in den 90ern hängengeblieben, und schon damals galt derlei als abgestanden. Wenn sich Textlücken mit belanglosen "Oh, yeahs" füllen, wo sowieso nichts Unerhörtes erzählt wird, sondern Keb' die Liebe im Stile von verschneiten Hollywood-Komödien beschreibt. Wenn es zu seicht und fantasielos wird.

Doch oft gelingt es besser: Stimmt die Orchestrierung samt gut sitzendem Gitarrensolo wie in "Marvelous To Me", dann projiziert die Platte auf einmal großes R'n'B-Kino. Unterstützen zart eingeflochtene Wurlitzer-Akzente den kehligen Soulpop und schiebt die Basstrommel den Flow von "Sunny And Warm" lässig und mit Backbeat nach vorne, dann macht die Musik großen Spaß, eine Fusion aus Hootie and the Blowfish, Garland Jeffreys, Simply Red und James Taylor. Zu vergleichbar entspanntem Rhythmus-Treiben in Easy Listening-Format lädt das aalglatte und dennoch supercool angejazzte "Dressed Up In Blue" ein.

Hier bricht sich zwar nicht der neueste Schrei rockmusikalischer Entwicklungspfade Bahn. Eher wird Coming Home-Flair beschworen, doch genau dies ist auch der rote Faden: Keb' erinnert sich an seine Kindheit, als er nahe der Westcoast aufwuchs. Abdererseits scrollt er sich zu seinen Anfängen als junger Songschreiber zurück. 1980 nahm er seine erste LP mit selbstverfassten Blues-Stücken auf. Zudem schrieb er schon in den frühen Siebzigern Songs, die nun 2022 erstmals auf einem Album landen.

Diese Nostalgie führt im Gegensatz zum kargeren Vorgänger "Oklahoma" zu recht viel Süßlichkeit. Fast ertrinken die durchweg wunderschönen Melodien und Keb's ausdrucksstarker Gesang im Strudel der honigklebrigen Klangarchitektur. Das klappt mal besser, mal weniger, aber handwerklich immer geschmeidig. Trockenes Spiel auf Holz gibts im etwas langweiligen "'62 Chevy" und im chilligen, allerdings vorhersehbaren "So Good To Me", die dafür mit schönen Gitarrensoli aufwarten.

Das traditionellste Stück, "Medicine Man", basiert auf schrägem Fiddle-Sound, harter Percussion und einem rustikalen Gesang. Inmitten der Handvoll guter, reifer Aufnahmen sticht die einzige Coverversion hervor. Keb'Mo' macht keinen großen Aufwand mit "Lean On Me", setzt es in Tempo und Intonation nahe an der Vorlage (oder besser Steilvorlage) um. Das klappt sehr gut, hat zwar nicht ganz die Tiefe Bill Withers', besticht aber in seiner Schlichtheit.

Insgesamt finden Genre-Fans auf "Good To Be" ein stimmiges Ganzes, edle Streichersätze und ein paar auflodernde Momente. Für ein größeres Publikum fehlen aber definitiv ein, zwei Hits, ein bisschen Kante und die freche, scharfe Funkyness, die man mit dem Musiker ansonsten verbindt.

Trackliste

  1. 1. Good To Be (Home Again)
  2. 2. So Easy
  3. 3. Sunny And Warm
  4. 4. Good Strong Woman
  5. 5. Medicine Man
  6. 6. Marvelous To Me
  7. 7. Lean On Me
  8. 8. Like Love
  9. 9. Dressed Up In Blue
  10. 10. '62 Chevy
  11. 11. Louder
  12. 12. So Good To Me
  13. 13. Quiet Moments

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