laut.de-Kritik
Wie aus dem Skizzenbuch von Frittenbude ausgerissen.
Review von David HutzelDie Frauenformation Laing gehört zu den Gruppen, die sich nicht sofort in ein Genrefach stecken lassen. Genau daran labt sich die Musik der Berlinerinnen nicht nur, sie lebt stellenweise davon. Denn so einfach kriegt man sie nicht mit den Supremes auf der einen und mit Bodi Bill auf der anderen Seite unter eine Discokugel.
Wohl der Einfachheit halber brechen sie ihre Musik gern auf den Begriff "electric Ladysound" herunter. Ein bisschen irreführend ist das schon, denn wer damit unterwürfiges "Baby Love"-Gedudel meint, der wartet lange. Eine erste Kostprobe dessen präsentierte schon Stefan Raabs Bundesvision Song Contest 2012: Mit elektronisch und textlich aufgemotztem Trude Herr-Klassiker "Morgens Immer Müde" performten sich Laing auf den zweiten Platz des Wettbewerbs.
Ehrlicherweise war das aber wohl mehr ihrer außergewöhnlichen Performance mit Bürolampen, Tanz-und Fledermauseinlagen geschuldet denn dem musikalischen Teil. In dieser Hinsicht schlägt das ganze Debütalbum jedoch in die Kerbe der ersten Single: Dürftige Indietronica-Beats treffen auf angenehme Stimmakrobatik, die sich thematisch auf Verruchtes, Partynächte und Liebemachen beschränkt. Sympathisches Rebellentum light – willkommen im "Paradies Naiv".
"Ich mach' dich kalt, kalt, kalt ...", artikuliert im Opener "Ding Dong" die Solostimme von Frontfrau Nicola Rost. So als wolle man den rachsüchtigen Zeilen beständig Nachdruck verleihen, stoßen die anderen Beiden dazu. Glaubhaft sind Laing in der Rolle der bösen Ex-Freundinnen jedoch nie, eher stereotype 50er-Jahre-Diven.
Allerdings: Die glockenklaren Stimmen der Sängerinnen harmonieren – ob a cappella oder während einer ihren akribisch aufgetragenen Lautmalereien. Die "Plings", "Plongs" und "Ticks" saugen mit ihrem Sprachwitz die öligen Massen an kindlicher Poesie schwammhaft auf, ja verleihen den Texten bisweilen Sprachwitz. Das klare "Klickedi-klack" fügt sich in "Maschinell" als Bindeglied zwischen Gesang und dem verhältnismäßig durchdachten Beat ein.
Ein bisschen vernachlässigt klingt die instrumentale Untermalung ansonsten schon – standardmäßige Off-Beats, im Idealfall groovend mit Funk-Bass ("Mit Zucker"), das Gros aber fühlt sich an wie aus dem Skizzenbuch von Frittenbude ausgerissen ("Du Und Du Und Ich"). Jener Beatbau hätte fast Laings Debüt zunichte gemacht. Wäre da nicht der Ideenreichtum, mit dem die Band zu Werke geht – der Stimmakrobatik sei Dank!
Gewitzt eingebrachte kontralyrische Störgeräusche erleichtern oft ärmere Zeilen wie "In Japan brennt das Kernkraftwerk / Und ich krieg' meine Tage" ("Die Nachrichten") und "Kenn' dein Geschmack und weiß, wie du beim Ficken klingst / Doch ich konnte mir nie merken, dass du Kaffee gern mit Zucker trinkst" ("Mit Zucker").
Auf derlei banal artifizielle Provokation hätten die Damen ebenso gut verzichten können. Wenn das schon nicht gänzlich im "Paradies Naiv" gelungen ist, gibt es künftig dafür sicher Gelegenheit - in einer noch spärlich besiedelten Genre-Welt zwischen Vokalpop und elektronischer Tanzmusik.
2 Kommentare
"Ehrlicherweise war das aber wohl mehr ihrer außergewöhnlichen Performance mit Bürolampen, Tanz-und Fledermauseinlagen geschuldet denn dem musikalischen Teil."
Ich glaube nicht, dass die Damen deswegen auf den 2. Platz gewählt worden sind. Das Lied war einfach nur geil und ausdrucksstark mit einer Menge Witz a la Trude Herr.
Finde auch die 2 Punkte eher ungerechtfertigt.
Da hast du Recht, IEatBounty!