laut.de-Kritik

Zwischen Brian Wilson, Nina Simone, Henry Purcell und Björk.

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Manchmal liegen Frage und Antwort auf meinem CD-Stapel direkt übereinander. Auf "Love In The Future" stellt John Legend mit Hilfe von Kanye West die Frage, wo es mit Soul und R'n'B hingehen soll. "In den letzten Jahren wurde Soul soweit verwässert, dass er viel von seiner Faszination verloren hat." So weit, so richtig, Mr. Legend.

Eine wirklich befriedigenede Lösung fällt ihm trotz des Ansatzes jedoch nicht ein, und so unterlegt er seine soliden R'n'B-Songs mit modernen Hip Hop-Beats, und meint, das Ziel erreicht zu haben. Das Ausmaß seines Scheiterns wird mir jedoch erst beim Einlegen des nächsten Albums bewusst. Auf Laura Mvulas Debüt "Sing To The Moon" gelingt es der Künstlerin tatsächlich, Soul ihren ganz eigenen und taufrischen Ansatz zu verpassen.

Weder zitiert sie den zuletzt mehr und mehr abgegriffenen Motown- und Stax-Sound der 1970er, den straffrei nur noch Sharon Jones oder Charles Bradley adaptieren dürfen, noch gibt sie sich der mit Mayer Hawthorne und Robin Thicke aufkommenden Welle des Synth-Pop-Funk der 1980er hin. Stattdessen erfindet sich Mvula im besten Sinne ihre ganz eigene und liebreizende Welt voller Geigen, Trompeten, Harfen und verschwenderischem Satzgesang.

Vollkommen staubbefreit und in edlem Beige gekleidet klingt sie in ihren besten Momenten wie eine gelungene Mischung aus Minnie Ripperton, Nina Simone, Brian Wilson, Annie Lennox, Henry Purcell und einer entsponnenen Björk. Ihre Tracks schreibt und arrangiert Mvula, einst schüchterne Rezeptionistin, überwiegend selbst und spielt einen großen Teil der Instrumente. Dabei findet sie Unterstützung im Rumer-Produzent Steve Brown und Toningeneur Tom Elmhirst (Amy Winehouse, Lily Allen, MS MR, Adele). Gemeinsam achten sie darauf, dass kein dunkler Schatten das blendende Licht auf "Sing To The Moon" durchbricht.

Gleich mit dem Opener "Like The Morning Dew" zieht die Sängerin aus Birmingham alle Register und konfrontiert den Zuhörer mit einem Füllhorn aus Harmonien, standhaften Zinnsoldat-Trommelwirbeln und purer Schwärmerei. Ein Soundbild, so kuschelweich wie die liebste Kolter, unter dem heimlich die angeschlagene Romanze zerbröckelt. "Our love feels like the morning clouds / Like the morning dew / That goes away."

Im monumentalen, von Bläsern getragenen, "Make Me Lovely" spielt Mvula geschickt mit Claude Debussys "Golliwogg's Cake Walk". Immer wieder unterbricht sie den Song, setzt einzelne Fragmente aus windstillen Zwischenspielen aneinander. Das nostalgische Stück, halb große Bühne, halb schummriger Jazz-Keller, wartet unter seiner hübschen Fassade aber wie so oft mit einem gebrochenen Text auf. "I can't make you love me / You can't make me lovely / Please don't try to hold me down / It's over now."

Der Zugang zu "Sing To The Moon" findet sich am leichtesten über die Single "Green Garden", des Albums grüne Lunge. Soul-Handclaps und ein dynamischer Kontrabass führen durch den grazilen Song. Eine freie und gleichzeitig streng strukturierte Pop-Leichtigkeit mit intelligentem Aufbau, klimpernden Xylophon und verspielten Chor-Harmonien. Nur die unangenehme Verzerrung auf der Stimme trübt ein wenig das Gesamtbild.

"Tell me who made you the centre of the Universe?" Im cineastischen Refrain von "That's Alright" bilden getragene Bläser und holpernde Schläge die Schnittstelle zwischen Star Trek, Raumschiff Orion und einem Stammestanz. Nur selten wirken die Arrangements wie mit den klischeehaften Paukenschlägen in "Is There Anybody Out There?" zu aufgesetzt und gekünstelt. Sporadisch können die Lieder unterhalb der sie umgebenden Carpenters-Zuckerwatte nicht mit ihrer Umgebung mithalten ("Can't Live With The World").

Laura Mvula hat alle Anlagen, um zu einer stilprägenden und bedeutenden Künstlerin heranzureifen. Schnell verliert man sich in den verschlängelten Wegen des Debüts. "Sing To The Moon" bietet viele interessante Ideen, dass oft in sich selbst eingemauerte Genre aufzubrechen. Zwar will noch nicht immer alles aufgehen, aber schon jetzt zählt Mvulas Erstling zu einer der interessantesten Soul-Platten des Jahres.

Trackliste

  1. 1. Like The Morning Dew
  2. 2. Make Me Lovely
  3. 3. Green Garden
  4. 4. Can't Live With The World
  5. 5. Is There Anybody Out There?
  6. 6. Father, Father
  7. 7. That's Alright
  8. 8. She
  9. 9. I Don't Know What The Weather Will Be
  10. 10. Sing To The Moon
  11. 11. Flying Without You
  12. 12. Diamonds

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