laut.de-Kritik

Schleppender Rock-Tsunami voll dunkler, irrer Magie.

Review von

Die Melvins sind sogar unter Alternative-Rock-Legenden eine herausragende Erscheinung. Sie haben die 80er ebenso beeinflusst wie die 90er, blieben dabei stets stilistisch unberechenbar und mit 26 Alben in knapp 35 Jahren konstant präsent ohne den Hauch eines Formtiefs. Auch ihr taufrisches Lebenszeichen "A Walk With Love And Death" zeigt keinerlei Schwächen. Es ist ein schleppender Rock-Tsunami voll dunkler, irrer Magie.

Besonders Hörer, die noch immer dem hartnäckigen Missverständnis anhängen, wonach die Band um Buzz Osborne Grunge sei, sollten diese ca. 80-minütige Vorstellung nicht verpassen. Denn obwohl sie den Seattle Sound beeinflussten, stand er ihnen nie wirklich nah und war ihnen stets zu limitiert. Stoner Rock, Doom, Noise, Psychedelik, Klangcollagen und anspruchsvolle Zeilen zeigen: Diese Urväter des Sludge sind künstlerisch weit enger verwandt mit Freigeistern Marke Neurosis als mit limitierten Acts wie Nirvana.

Diese Vielseitigkeit spielt "A Walk With Love And Death" ohne jeden Kompromiss aus. Konzeptionell kann man die Platte grob in zwei Hälften separieren. Die "Love"-Songs folgen eher konventionellen, aber finsteren Songstrukturen, die "Death"-Tracks lösen selbige mitunter komplett auf. Dazwischen streut das Trio ein paar skizzenhafte Zwischenspiele, die ursprünglich der Untermalung eines Kurzfilms dienen sollten.

Was sich auf dem Papier womöglich krude und anstrengend liest, klingt für die Ohren überraschend einladend. Der Suchtfaktor regt sich bereits beim ersten Hören und entfaltet sich mit jedem Durchlauf wie eine Blüte. Dieses packende Gesamtkunstwerk spricht mit seiner unaufdringlichen Vielschichtigkeit Düster-Metaller genau so an wie Indie-Nerds oder die Anhänger des akustischen Flanellhemdes.

Zum Anspielen empfehle ich folgende Stücke: Von der A-Seite das tiefschwarze "Euthanasia", ein Lied, das in seiner konsequenten Niedergeschlagenheit auch von Paradise Lost oder My Dying Bride stammen könnte. Und ganz besonders das Stilleben "Sober-delic (Acid Only). Phlegma war gestern. Das hier ist schon Katatonie.

Von den komplett freidrehenden Nummern lege ich jedem die zerrende "Queen Powder Party" nah. So irre klingen aus dieser Alternative-Generation höchstens noch die Butthole Surfers. Unbedingte Kaufempfehlung für dieses in jeder Hinsicht faszinierende Hörerlebnis.

Trackliste

  1. 1. Black Heath
  2. 2. Sober-delic (Acid Only)
  3. 3. Euthanasia
  4. 4. What's Wrong With You?
  5. 5. Edgar the Elephant
  6. 6. Flaming Creature
  7. 7. Christ Hammer
  8. 8. Cactus Party
  9. 9. Cardboa Negro
  10. 10. Aim High
  11. 11. Queen Powder Party
  12. 12. Street Level St. Paul
  13. 13. The Hidden Joice
  14. 14. Give It To Me

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7 Kommentare mit 17 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Diesmal fast schon nüchtern und eingängig aufgespielt aber dann doch wie immer wunderbar verlaufen. Die Produktion ist überhaupt nen Fest für die Ohren...da passt kein Blatt dazwischen. King Buzzo und sein Hofstaat können auf die Jahresmeisterschaft hoffen...ich huldige live :) 4 von 5 Punkte

  • Vor 7 Jahren

    Ween waren/sind in allen Belangen "irrer", absurder und - blegh - eklektischer, als es die Butthole Surfers oder diese Typen hier um den Hauptaffen und Widerling Osborne je waren.

    Mehr als 'Houdini' mit dem Karrierehoehepunkt 'Night Goat' muss man von denen nicht kennen.

    Ungehoert 1/5.

    • Vor 7 Jahren

      bin ja nicht offen für jegliche avantgarde/"progressive" scheisse. sogar so sehr, dass ich wahrscheinlich gerade avantgarde falsch schreibe... aber ween sind wirklich sehr cool. zumindest cooler als die melvins aber ich empfand die nie soo upgefuckt. aus gründen deren ursache mir nicht klar ist, hielt ich die Butthole Surfers immer für eine sehr kaputte und degenerierte Band.. während ween eher infantil waren... so in meiner welt

  • Vor 7 Jahren

    Bin erstaunt, wie offen langweilig manche Hörer sind. Und "Ween"? Wo kommt denn "Ween" hier bitteschön her? Ich mein, ich mag "Ween" ja sehr gerne, aber bis auf die Tatsache, daß beide Bands schräg sind, sind sie absolut nicht vergleichbar.

    Kleiner Tipp für Nichtkenner: Die Melvins muß man laut hören! Ähnlich wie Shellac oder aktuell Future of the Left kann man die Melvins absolut nicht realistisch einschätzen, wenn man sie auf Zimmerlautstärke hört.