laut.de-Kritik
Sommerlich klingen die Abgründe.
Review von Markus BrandstetterAuf "Here Be Monsters" begeben wir uns hinab in die Untiefen der menschlichen Psyche. Ab und an klingt der neue Longplayer von Motorpsycho trotz der teilweise schwarzen Schattierungen des Innenlebens aber auch schön sonnentrunken.
Der Trip ins Innere beginnt mit "Sleepwalking", einem kurzen, minimal angelegten Klavier-Intro. Dissonant genug, um Fragen in den Raum zu stellen, geht es gleich über in die mit Delay und Reverb behafteten, sich stückweise steigernden Gitarren von "Lacuna / Sunrise", dem ersten Song der Platte, der sich rund zehn Minuten zur Entfaltung Zeit lässt. Motorpsycho kanalisieren den Psychedelic Rock der 1960er Jahre und spielen schon zu Beginn mit dem Widerspruch zwischen Thema und Vertonung. Denn während sie innere Leere besingen, gehen die Refrains, getragen von Chorgesang und atmosphärischer Orgel, meist euphorisch-feierlich auf. Die Stimmung ist beinahe festlich.
Noch spätsommerlicher gelingt das von Akustikgitarren getragene "Running With Scissors": eingängiger Prog-Rock, ausufernd und stimmungsvoll und mit ein wenig Flöte. "I.M.S." beginnt mit einem ungeraden eine gewisse Hektik aufkommen lassen. Motorpsycho setzen zur siebenminütigen Rock-Meditation an. Hier kommen sie dem besungenen Zwiespalt klanglich das erste Mal recht nahe.
"Spin, Spin, Spin" ist ein Cover der kurzlebigen Chicagoer Psychedelic-Band H.P. Lovecraft (1967-1969), ein wunderschöner Vierminüter aus dem Epizentrum des Liebessommers '69 und seinem abrupten Ende. Wieder viel Akusikgitarre, mehrstimmiger Gesang, tonale Dramatik. Wunderbar. "Sleepwalking Again", ein weiteres kurzes Klavier-Zwischenstück, leiten das über siebzehnminütige "Big Black Dog" ein. Der großte, schwarze Hund Depression ist am Anmarsch, das Sonnenlicht erlischt.
Auch hier baut sich alles ganz langsam auf, die ersten vier Minuten tragen nur Gitarre und Stimme das Stück, danach besorgt ein schweres Riff die dramaturgische Steigerung. Es wird düster, beklemmend, sägende Synth-Sounds verdichten die Atmosphäre symphonisch, das Riff geht stoisch nach vorne. Es scheint, als wären die Monster hier zum ersten Mal anwesend, wüteten durch das Geschehen. Dann: kurze Ruhepause, durchatmen, wieder Verdichtung. Das gleiche dann noch einmal.
Siebzehn Minuten später ist der schwarze Köter fort, das Album ertrinkt in einem kurzen Schwall an verhallten Geräuschen. Es war ein kurzweilig-fieberhafter Trip, bei dem wir die Bedrohung nicht immer wirklich spüren konnten. Streckenweise sind wir sogar nahezu in der Sonne gelegen und die Dämonen und Monster hatten Sendepause.
Seinen Anfang nahm "Here Be Monsters" als Auftragsarbeit anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des Norwegischen Technischen Museums, das 2014 - gemeinsam mit dem Keyboard- und Piano-Ass Ståle Storløkken - aufgeführt wurde. Die Band entschloss sich, es nicht bei dieser Aufführung zu belassen und das Material auf Albumlänge auszudehnen. Storløkkens Terminkalendar ließ eine Zusammenarbeit auf Albumlänge dann leider nicht zu, so dass an den Tasten der langjährige Band-Intimus Thomas Henriksen zu hören ist, der "Here Be Monsters" auch gemixt und koproduziert hat.
1 Kommentar
Schade mit Storløkken. Aber letztes Jahr gab es den Quasinachfolger zu Death Defying Unicorn, der mich gerade noch mehr reizt, als dieses Album, das viele Stärken der Band bündelt, aber insgesamt wenig neues bietet. Ist aber trotzdem über weite Strecken durchaus gelungen.