laut.de-Kritik
Lasst Englein und Dämonen kommen. Sie vertragen sich prächtig.
Review von Dani FrommDass Kevin Martin die akustischen Armeen der Finsternis kommandiert, hat er bereits unter Beweis gestellt. Mehrfach. Die neue Herausforderung wartet schon: Nun erweitert der Brite, der inzwischen in Berlin seine Zelte aufgeschlagen hat, seinen Aktionsradius und tritt, da die Höllenpforten längst sperrangelweit offen stehen, zusätzlich auch noch die Himmelstür ein. Lasst Englein und Dämonen kommen! Siehe: Sie vertragen sich prächtig.
Was der qualifizierte Metzger weiß, hat sich The Bug für "Angels & Devils" restlos zu eigen gemacht: Entspanntes Schlachtvieh liefert besseres Fleisch. Das Prinzip lautet also: Erst betören, dann verstören. Deswegen kommen zunächst einmal die Engel an die Reihe. Liz Harris' bezirzt in "Void" mit entrücktem Gesang. Der darunter liegende Soundteppich aus Störgeräuschen und dicker, wabbeliger Bassline wirkt derart dicht geknüpft, dass der flauschige Flor den darin verborgenen scharfkantigen Splittern die Wirkung nimmt. Noch.
Wer The Bug nicht zum ersten Mal begegnet, muss es ahnen: Kevin Martin hat da schon längst zum tödlichen Handkantenschlag ausgeholt. Bis er seiner Hörerschaft mitleidlos das Genick bricht, lässt er sich diesmal allerdings Zeit. Viel Zeit. Zwar türmen sich die Wolken in "Fall" bereits schwarz und drohend am Horizont. Der Sturm zieht auf, daran lassen die grummelnden, quakenden, scheppernden, schrappenden Strukturen gar keinen Zweifel. Das Unwetter liegt in der Luft, bricht aber noch nicht los. Noch nicht!
Unaufhaltsam wie ein Lavatsrom, vergleichbar träge und ähnlich gefährlich, walzt das instrumentale "Ascension" heran und lässt bei angemessen aufgedrehter Lautstärke - die beim Konsum von The Bug stets gewährleistet sein sollte - die Fensterscheiben im Rahmen erzittern, bis der Kitt bröselt. Der repetitive Rhythmus drückt dem letzten Funken Widerstand den Atem ab. Miss Reds Vocals haben hernach leichtes Spiel in den dubbigen Weiten von "Mi Lost". Weder die Kirchenorgel aus "Pandi" noch Gonjasufis verwehter, esoterisch angehauchter Gesang ändern etwas an der Tatsache: "Save Me" bleibt ein frommer Wunsch.
Man sollte des Gonjasufis Angebot trotzdem nicht leichtfertig ausschlagen: "Take my hand." Den letzten festen Halt vor dem jäh aufklaffenden Abgrund ergreife man tunlichst - auch, wenn er nur trügerische Sicherheit bietet. Die "Angels" haben ihren Platz bekommen. Mit "The One" übernehmen die "Devils" das Ruder, höllisch angemessen flankiert von Kevin Martins bewährten Mitstreitern: Justin Broadrick, dem anderen Techno Animal, an der Gitarre und Flowdan am Mic.
Wer es noch nicht wusste, weiß es jetzt: "Flowdan's a monster." Hat eigentlich irgendjemand Roll Deep-Wochen ausgerufen, ohne dass ich es mitbekommen habe? Nachdem mir auf Tre Missions "Stigmata" gerade erst Wiley, JME und Skepta begegnet sind, folgen hier mit - eben - Flowdan und Manga zwei weitere Vertreter der Mutter aller Grime-Kollektive. Übergeschnapptes High Speed-Toasting versteht sich da schon fast von alleine. Kevin Martin liefert mit nun endlich bis zum Anschlag aufgedrehten Reglern den Sound dazu, der einem Hirn und Zwerchfell windelweich walkt.
Der Brecher "Fat Mac" fährt erneut die satanische Kombination Broadrick/Flowdan auf. Warrior Queen, im The Bug-Kosmos ebenfalls ein vertrautes Gesicht, zieht in "Fuck You" dreckigst vom Leder. Ebenfalls kaum jugendfrei: das möglicherweise letzte Lebenszeichen der unlängst aufgelösten Punkrap-Combo Death Grips, "Fuck A Bitch". "I see the bigger picture", behauptet Flowdan im finalen "Dirty" frech. Als ob zu diesem Zeitpunkt noch irgendjemand viel mehr sehen könnte als bunte Sternchen ... Kevin Martin, du miese Ratte, hast es schon wieder getan: sachte antäuschen, derbe ausknocken. Autsch!
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