laut.de-Kritik

Weder draufgängerisch noch effekthaschend.

Review von

Als wolle der Inhalt die rebellische Coverpose Lügen strafen: Mit "Here I Stand" dokumentiert Usher nachhaltig seinen Eintritt ins Erwachsenenleben. Ganz verschwunden sind glücklicherweise zwar weder der jugendliche Charmeur noch der Loverboy, der die Herzen der Damenwelt im Sturm nimmt.

Diese Seiten seiner Persönlichkeit stehen inzwischen jedoch unter der Kontrolle eines gereiften Sängers, der weder Draufgängertum noch Effekthascherei nötig hat, um Spuren zu hinterlassen.

Gleich das Intro erweckt diesen Eindruck, der sich im weiteren Verlauf verdichtet: Auch sich zunehmend üppiger entfaltende Begleitung lässt keinen Augenblick Zweifel aufkommen, dass sie nur zum schmückenden Beiwerk dient. Im Rampenlicht steht Ushers Gesang, der zuweilen dramatische Emotionalität auffährt, ohne dabei überspannt oder überzeichnet zu wirken.

Im Gegenteil: Usher erscheint fast ein bisschen oldschool, erinnert gelegentlich, so im Titeltrack, an Stevie Wonder, während sich an anderer Stelle schon mal ein Michael Jackson-mäßiger Jauchzer einschleicht.

Die Nachdenklichkeit, mit der er "His Mistakes" besingt, Schlafzimmerschnulzen wie "Trading Places" oder Tanzflächen-Kompatibles wie das disco-glitternde "This Ain't Sex" meistert er gleichermaßen authentisch.

Mit frisch gebackenen Vätern ist das ja immer so eine Sache: Viele werden pathetisch bis rührselig, wenn sie ihr greinendes Baby be-, an- oder in den Schlaf singen. Usher bewahrt sich auch hier, im zauberhaften Interlude "Prayer For You", eine über die Maßen sympathische, angenehme Bodenständigkeit.

Zahlreiche Produzenten treten an, um den angemessenen Rahmen zusammen zu klöppeln. Polow Da Don liefert den dunklen, schiebenden Beat zur den Ladys gewidmeten Single "Love In This Club", die leider weder im ersten Anlauf mit Young Jeezy, noch wieder aufgewärmt mit Beyoncé und Lil Wayne so recht in die Gänge kommen mag.

Während beide rappenden Kollegen derartig heiser und verschleimt wirken, dass man ihnen die Tüte mit den Rachendrachen reichen möchte, unterstreicht Beyoncés gewohnt perfekt gedrilltes Auftreten noch den unaufgeregten Charakter von Ushers Darbietung.

Nicht spannend, aber hübsch: J.R. Rotems ruhige Pianoballade "Will Work For Love" zum Abschluss. Ne-Yo, ebenso unspektakulär, arbeitet für "His Mistakes" gleichfalls mit Piano und Streichern, die zwar noch nicht klebrig wirken, den leidgeprüften R'n'B-Hörer jedoch auf der Hut sein lassen.

James Lackey bedient sich dagegen für "Lifetime" satter Bässe und flächiger Synthies. Jermaine Dupri fährt für die Kollabo mit Jay-Z ("Best Thing") die volle Breitseite auf, nachdem er in der optimistischen Nummer "Something Special" bereits zeigte, dass sich ein Song auch mit Akustikgitarre statt Bombast bestücken lässt.

Streicher- und E-Gitarrenklänge landen in "Moving Mountain" einträchtig nebeneinander. Hier wird, wie auch im herrlich schrägen "Appetite" der vollendete Ausbruch aus gängigen Klischees des Genres geprobt. Will.I.Am dagegen wird von den ewigen Claps, die die schlanke Komposition von "What's Your Name" beherrschen, in diesem Leben wohl nicht mehr lassen können.

Dennoch: Weder solches, noch die etlichen recht durchschnittlichen Titel, ja nicht einmal der fast schon billige Kirmestechno-Beat, der "What's A man To Do" verunziert, trüben das positive Gesamturteil. Mit "Here I Stand" präsentiert Usher ein wirklich schönes, ernsthaftes, eben ein im besten Sinne erwachsenes Werk.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Love In This Club feat. Young Jeezy
  3. 3. This Ain't Sex
  4. 4. Trading Places
  5. 5. Moving Mountains
  6. 6. What's Your Name feat. Will.I.Am
  7. 7. Prayer For You (Interlude)
  8. 8. Something Special
  9. 9. Love You Gently
  10. 10. Best Thing feat. Jay Z
  11. 11. Before I Met You
  12. 12. His Mistakes
  13. 13. Appetite
  14. 14. What's A Man To Do
  15. 15. Lifetime
  16. 16. Love In This Club Part II feat. Beyoncé & Lil Wayne
  17. 17. Here I Stand
  18. 18. Will Work For Love

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