laut.de-Kritik
"Ich bin Gott, nur in schön und ohne Krückstock."
Review von Jan EhrhardtDie VBT-Zeiten sind vorbei, Weekend mischt mittlerweile im ganz normalen Rap-Game mit. Dort bislang aber eher so mittel-erfolgreich. Also müssen neue Ideen her, um die Karriere anzukurbeln. "Deutschraps längste Promophase" heißt es bei Chimperator selbstironisch - Album ankündigen, aber kein Releasedate nennen. Und kurz danach kann man es dann plötzlich einfach kaufen. Ob das eine gute Marketing-Strategie war? Man wird sehen.
Die Platte selbst zeigt sich leider nicht ganz so innovativ. Bodenständig könnte man das nennen, was Christoph Wiegand uns da vorsetzt. Solide Rapmukke mit deutschen Texten. Aber wo ist der Mehrwert? Wo ist dieses Etwas, das dich dazu bringt, deinen Freunden zu schreiben: "Habt ihr die neue Platte von Weekend schon gehört?"
"Musik Für Die Die Nicht So Gerne Denken" heißt der neue Langspieler made in Gelsenkirchen. Denken muss man während der 49:20 Minuten Spielzeit aber doch ganz schön viel. Überall hagelt es versteckte Punches gegen alles und jeden – ob gegen Kollegen aus dem eigenen Business oder eben gegen das Rapgame im Allgemeinen. Textlich macht Weekend durchaus Spaß: "Bam Bam Blutrausch! Ich schieß' in die Luft, das ist dumm aber sieht voll cool aus. Das ist Rap, was ich red' ist egal, denn nichts was ich erzähle ist wahr." In "All You Can Eat" entlarvt er mal eben so relativ treffend einen mittlerweile großen Teil der Hip Hop-Szene. Aber leider erinnert der gerade erwähnte Song beängstigend stark an Cros Intro "I Can Feel It" - Beatrecycling unter Chimperator-Kollegen vielleicht.
Die Features auf der Platte knallen aber dafür ganz schön heftig. Sowohl Edgar Wasser auf "28, 29" als auch 3Plusss und Fatoni auf "Sicher Nicht" passen wie die Faust aufs Auge und bieten einen sehr willkommenen stimmlichen Kontrast zum sonst eher monotonen Weekend-Flow. Beide Tracks zählen zu den Highlights der LP, gerade "Sicher Nicht" wird mit Samples von Moneyboy, Prinz Pi oder Eko Fresh zum besonderen Schmankerl. Vielleicht nimmt Weekend auch deshalb die beiden Jungs mit auf große "Für immer Wochenende"-Tour. Auch "Rock'n'Roll" mit Emkay und Dobbo ist ein hörbarer Kopfnicker-Song mit schönem Boom-Bap-Beat. Nicht herausragend, aber gut.
Ein weiteres Highlight und absoluter Anspieltipp ist "Go Lemming": wabernde Bassline, punktgenaue Drums, Mitsing-Hook und treffsicheres Gespitte: "Ich bin Gott, nur in schön und ohne Krückstock. Ich schick' den Menschen Jesus in der Amazon-Deluxe-Box." Was will man mehr? Und auch "High 5" kommt in einem spektakulären musikalischen Gewand um die Ecke, inklusive zwischenzeitlichem Switch auf 140 BPM – weil Weekend zu seinem Produzenten meint: "Hey Pete, lass mal Trap machen!“
Oft reicht "Musik Für Die Die Nicht So Gerne Denken" aber nicht über das normale Mittelmaß hinaus. Insbesondere in Sachen Flow gibt es für Christoph noch einigen Nachholbedarf. "Wunschkonzert", "Der Auserwählte" oder "Du Kannst Es Nicht Verstehen" haben durchaus musikalisches Potenzial, leiden aber unter Weekends eintöniger Stimmlage und fehlender klanglicher Kreativität. Und wenn dann auch noch dieses musikalische Potenzial in der Produktion nicht mehr vorhanden ist - wie im Titelsong "Musik Für Die Die Nicht So Gerne Denken", im Opener "Der Neue" oder auch in "Das Lied Wo Ich Reich Bin" - dann wirkt die Platte an genau diesen Stellen doch sehr mangelhaft.
Der anfangs gesuchte Mehrwert von Weekends Musik ist eindeutig das Zusammenspiel von seinen vor trockenem Humor strotzenden Texten und einer variantenreichen Beatproduktion. Auch die Featuregäste machen Spaß, von Pimf auf "Besser Glauben" mal abgesehen. Aber flowtechnisch offenbart der nette Christoph von nebenan sehr große Lücken, die leider in vielen Songs der LP nicht auszugleichen sind.
Bodenständig ist "Musik Für Die Die Nicht So Gerne Denken" immerhin – und das ist durchaus positiv gemeint. Mal knallt es, mal kann man schmunzeln, oft ist die Platte aber sehr eintönig. Und das ist leider genau der Eindruck, der im Gedächtnis bleibt. "Habt ihr die neue Platte von Weekend schon gehört? Nein? Ja okay, ganz so viel habt ihr nicht verpasst."
4 Kommentare mit 23 Antworten
Bin ich der Einzige, der WKND schlimmer als Fler findet.
Machst du das mit Absicht, dass du dich mit dieser ungeheuer edgy-en Schreibweise von "Weekend" auf etwa eine Ebene mit seinem Chimperator-Hipster-Dreieck-Drecks-Style begibst? Find ich cool, ist sehr meta.
Ne, unser Oli ist einfach nur ein Opfer.
Ein eigener Charakter. Auf eine sehr spezielle Art.
Danke CCWM. Ich bin ein krass subversiver Typ und lande mit meiner ironischen Art bei vielen Ladies. Außerdem höre ich gerne Haftbefehl, obwohl ich keinen einzigen Ausländer in meinen Freundeskreis habe.
und froh darüber bin.
Mhja, ich merk das schon. Stehen die Ladies dann auch nur ironisch auf dich?
Weiß ich nicht… Was viel schlimmer ist: Wo zur Hölle sind die Weiber mit einen halbwegs anständigen Musikgeschmack? Ohne Spaß, ich kennne keine einzige Dame, die auch nur halbwegs hörbare Künstler mag.
Was in etwa wären denn "halbwegs hörbare Künstler"?
Ich mein damit so Künstler, die schon recht poppig sind, aber dennoch hörbar und kein Vergleich zu den ganzen Chart-Dreck sind.
Klar, kaum jemand hört Grindcore oder sowas wie Flying Lotus, und noch weniger Frauen, aber ich kenne auch keine Chica, die z. B. sowas wie Jamie XX, FKA Twigs, Bilderbuch oder Vince Staples ernsthaft hört. Ich kenn überhaupt kaum Frauen, die sich überhaupt großartig für Musik hören. Vielleicht liegt's auch an meinem Umfeld, aber hier hören die Damen zu 99% Bruno Mars und co. und liken Radio Lebanon und Jan Leyk auf Facebook.
Da würde ich mir dann tatsächlich mal Gedanken über mein Umfeld machen.
Jemand der "Chica" sagt, sollte sich über ganz andere Dinge Gedanken machen.
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Mopho, dein Profilbild ist krass edgy. Schielst du etwas auf die laut.de-User-Awards am Ende des Jahres?
Nein, Morpho ist einfach nur ein Opfer.
Ist das eigtl die original mördermonstermuschel?
Die meisten Menschen beschäftigen sich einfach kaum mit Musik, unabhängig vom Geschlecht. Kenne aber schon ein paar Frauen, bei denen das anders ist.
Zum Album: Weekend würde ich mir niemals außerhalb irgendwelcher Klamaukbattles geben. Sehe einfach keinen Sinn darin, mir solche Künstler anzuhören. Kann mich damit nicht identifizieren und lustig ist es auch nicht.
Und was genau ist daran "krass edgy", um mich mal deines Germanistikstudentenjargons zu bedienen? Lernt ihr da jetzt schon, dass das Bild eines Holocaustopfers zwangsweise als Provokation zu deuten ist oder entspringt diese Erkenntnis deiner ganz eigenen Deduktion? In letzterem Fall solltest du die Chicas sowieso mal hinten anstellen und deinen viel elementareren Problemen auf den Grund gehen.
Craze, wir hatten ganz klare Pausenzeiten vereinbart. Halt dich bitte daran und geh wieder Holz hacken.
Der ernste und erwachsene Mensch kennt nur "seriös" und "provokativ", wobei Letzteres meistens albern und kindisch ist, außer es handelt sich um ironische [ganz wichtig] Kunst, dann ist es unantastbar.
@Craze
Was gibts denn da so blöd zu grinsen...hä?
@Morpho: Eine andere Möglichkeit wäre, dass du damit etwas positives, z. B. Anerkennung oder Respekt zeigen willst, was ich im laut.de-Kontext für ziemlich unwahrscheinlich halte.
Olivander, du bist schon ein ziemlich dummer Knilch.
Bilderbuch? Die Hälfte meiner weiblichen Freunde feiert Bilderbuch mal so mega. Wie die beim Konzert eskaliert sind.
Aber ansonsten muss ich dir leider (nicht wegen deiner Person) Recht geben.
Platz 3 fürs erste Album, Platz 1 für das zweite Album = Mittel-Erfolgreich? Irgendwie finde ich kann es doch nicht viel erfolgreicher als Platz 1 gehen ...
Den Flow von Weekend mag ich eigentlich sehr. Mich stört auch nicht wirklich, dass er da sehr monoton in seiner Vortragsweise ist. Das wird bei mir persönlich durch den tollen Humor alles wieder ausgeglichen.
Bin aber etwas überrascht, dass es jetzt schon das zweite Weekend Album innerhalb weniger Monate gibt. Freut mich, aber ist überraschend.
Platz 1 sagt doch mittlerweile überhaupt nichts mehr aus...wie viele leute gehen denn zu ihm auf die Tour? Wie präsent ist er denn in den Medien? Gerard beispielsweise chartet auf Platz 30 oder so und kommt mir diesbezüglich trotzdem erfolgreicher vor
Die ganz sophisticated Leute interessiert sogar, wie gut die Musik ist.
Da magst du Recht haben, aber andere warten beispielsweise Jahrelang auf ein Nummer 1 Album (Siehe Motörhead die dafür 22 Jahre gebraucht haben). Und ein Nummer 1 Album sagt immer noch aus, dass du definitiv erfolgreicher als alle anderen, die zeitgleich veröffentlicht haben, bist Und das ist in meinen Augen dann zumindest doch mehr als nur mittelmäßiger Erfolg, ist aber natürlich alles eine Definitionssache
So irrelevant, den will ich noch nicht mal ungehoert bewerten.