laut.de-Kritik
Knietief im Disco.
Review von Alexander CordasDas 20-jährige Jubiläum des Goldfrapp-Debüts "Felt Mountain" sollte mit einer ausgiebigen Jubel-Tour begangen werden. Und dann, ja dann fiel die erst einmal aus bekannten Gründen aus. Alison selbst nutzte die Zeit der sozialen Isolation, zum ersten Mal seitdem sie Mitte 20 war, alleine kreativ zu sein, wie sie selbst verlauten ließ. Auf dem gemeinsamen Release mit Röyksopp namens "Impossible" prangte dann zum ersten Mal ihr eigener vollständiger Name.
Dann fügte sich eines zum anderen. Das Duo mit Will Gregory liegt erst einmal auf Eis. Stattdessen werkelt Alison zuerst mit dem deutschen Schnabelmaskenfan Claptone an neuen Songs ("So Hard So Hot", "Digging Deeper"), dann mit dem britischen DJ und Producer Paul Woolford ("Fever") sowie Richard X und James Greenwood. Die Aufzählung deutet es schon an, in welche Richtung das erste Solo-Album von Alison schielt: Dancefloor ist angesagt.
Dass ihre Stimme den absoluten Fixpunkt des Albums markiert, sollte nicht wundern. Ihre Variabilität sorgte schon in der Vergangenheit dafür, dass sämtliche Songs rund und stimmig klangen. Ganz egal, ob Folk, Cinemascope-Score, technoide Tracks oder Balladeskes, sie malt alles stets mit der ihr eigenen Klangfarbe aus. "The Love Invention" macht hier keine Ausnahme. Jeder einzelne Track könnte deshalb auch ohne Probleme auf einem regulären Goldfrapp-Album vertreten sein. Großartige Unterschiede zum etwas elektronischer ausgerichteten Band-Sound sind nicht unbedingt auszumachen.
So quietschbunt wie das Cover gestaltet sich auch das Klangbild. Es pluckert, es flirrt, es pumpt und fließt. Mal im dezenten House-Gewand ("Digging Deeper"), mal etwas dezenter und geruhsamer ("In Electric Blue", "The Beat Divine". Die Tracks unterscheiden sich nicht gravierend, auch wenn die BPM-Zahl mitunter schwankt. Trotz Hinzunahme einiger Producer ergibt sich somit ein homogenes Gesamtbild. Tönende Widerhaken hört man nicht, die elf Songs der Standard-Ausgabe schlängeln sich wohltuend durchs Öhrchen und umgarnen - vor allem über Kopfhörer bei höherer Lautstärke - mit zwar synthetischen Klängen, die aber eine schöne Wärme ausstrahlen. Die mitunter drückende Goldfrapp'sche Melancholie weicht dem Strahlen der Discokugel.
Alison bedient sich hauptsächlich beim Disco der Siebziger und tanzbarem Pop der Achtziger. Wie in einer Zeitmaschine steht man im Studio 54 auf der Tanzfläche "Fever (This Is the Real Thing)" oder skippt im nächsten Moment ins floureszierende Licht eines Tanztempels ein Jahrzehnt später. "Hotel (Suite 23)" besitzt schon fast etwas Hi Energy-haftiges.
"Subterfuge" bietet ätherisches Balladen-Surrogat mit gechoppten Beats und allerlei Flirren im Hintergrund, "Gatto Gelato" klingt lasziv-technoid und erinnert an Songs von "Supernature", ehe "So Hard So Hot" noch einmal in die Zeit der Schlaghosen abtaucht. Der klangliche "Subterfuge"-Zwilling "SLoFLo" zieht dann den Schlussstrich unter ein Album, das den Goldfrapp-Aficionado sicherlich zufriedenstellt. Im direkten Vergleich zu ihren Arbeiten mit Will Gregory zieht "Love Invention" zwar den Kürzeren, aber angesichts des hochklassigen Outputs der beiden im Duo-Format, war das fast schon zu erwarten.
3 Kommentare
Klingt für mich häufiger so als huldige Alison hier vor allem dem später im Jahr 18 Jahre alt werdenden und m.W. zumindest bei ihr daheim erfolgreichsten Goldfrapp-Album "Supernature".
Nun ist sie ja in der durchaus luxoriösen Position, kaum eine schlechte Selbstreferenz aus dem Pool ihrer eigenen musikalischen Vergangenheit fischen zu können und bei fast jedem anderen Projekt darf mensch bestimmt auch kurz mal die Augenbrauen hochziehen, wenn wer zum vermeintlichen Beginn des mit einem plötzlichen Solo eingeleiteten Karriereherbstes anscheinend ausgerechnet nochmal auf die eigenen kommerziellen Höhepunkte referiert, aber da empfinde ich diese Platte dann doch insgesamt wieder zu eklektisch im Hinblick aufs bisherige Gesamtwerk von Goldfrapp, zu organisch aus selbigem gebildet, um ihr daraus ernsthaft einen Strick drehen zu können oder wollen.
4/5, ich tanz' dann mal mit.
Musik top. Das Cover - naja. Hätte man cooler gestalten können. Alison ist nach wie vor vorzeigbar, und kein trauriger nasser Dackel, den man die pinke Nylonbettwäsche vom Discounter rübergezogen hat.
Natürlich vergleicht man das Debut mit Goldfrapps bisherigen Werken. Gergorys Fehlen merkt man dem Album an, wenn man ins Detail geht. Jeder Bass, jeder Snare auf „Supernature“ und Co schienen irgendwie einzeln individuell produziert zu sein. Zumindest hatte och das ähnliche Gefühl bei Björks Vespertine. Ständig Neues zu entdecken. Als würde man nicht die Schablone nehmen und damit die Wand dekorieren, sondern jedes Element mühsamst mit freier Hand auftragen. Wie ein organisches Lebewesen, das atmet und sich dreht. Hier auf ihrem Debut ist alles sehr sauber produziert und geradezu geradlinig. Das soll nichts Schlechtes heißen. Möchte nur hervorheben, dass der Soundkünstler sich um Weiten nicht ersetzen lässt.
Alisons Debut: ein sehr gutes Album.
"Großartige Unterschiede zum etwas elektronischer ausgerichteten Band-Sound sind nicht unbedingt auszumachen."
Die Platte klingt ein wenig so, als hätten Goldfrapp ihr Random Acces Memmories gemacht. Sounds und Arragments klingen eher nach 2000er Techhousereleases, die der Warmupper oder Closer spielt, als nach dem wuchtig, wertigem Sound der eher tanzbaren Goldfrappsongs. Also mEn schon ein großer Unterschied. Alles nicht übel tho, aber wirklich losstampfen lässt mich hier auch nichts.