laut.de-Kritik
Zwischen Meat Loaf, Cher und einem altägyptischen Klageweib.
Review von Ulf Kubanke"Wenn Sie mal lachen wollen, ich trete morgen Abend im Hilton auf", sagt Hugh Grant als abgewrackter 80er Ex-Popstar in dem Film "Music & Lyrics". Nun, auch Nenas Hitschreiber Fahrenkrog-Petersen (u.a. "99 Luftballons") und Thomas Anders erscheinen gemeinsam auf der Bildfläche und veröffentlichen ein echtes Duoalbum.
"Two" ist die Rache der Verfemten. Seit jeher geizt die Öffentlichkeit mit künstlerischer Anerkennung für beide 80er-Dinos, denen der Sprung auf den Ikonen-Zug bislang nicht gelang.
Nachdem sich die gesammelten Soloergüsse der Koblenzer Heulboje mehr oder weniger als komplett unausgegorener Kram entpuppten, muss wieder Verstärkung ins leicht havarierte Boot. Und schon wieder ist es eine Blondine mit Keytarre. Uwe Fahrenkrog konzentriert sich dabei ganz aufs Komponieren und Produzieren. Anders gibt den Frontman als gewohnte Drama Queen. So weit, so vorhersehbar. Überraschend ist jedoch die totale Homogenität der beiden zwischen lässigen Eigenzitaten und sympathischer Selbstironie.
"Got no heart; got no soul!", flötet Anders im gut abgehangenen "Gigolo". Man muss Kajal-König Fahrenkrog hier Respekt zollen. Zwischen fluffiger Italodisco, einer Prise Apoptygma-Future Pop und einem an I Am X gemahnenden Elektro-Mantel baut er dem neuen Gefährten ein komfortables Nest.
Der selbst ernannte 'Gentleman of Music' dankt es ihm und erblüht. Vom gerupften Huhn zur Nachtigall! Trotz der etwas bemüht beschworenen Maskulinität als 'Edelpopper' weiß Anders eines zum Glück ganz genau: Seine gesangliche Stärke liegt eher im androgynen bis femininen Bereich. Beides spielt er voll aus. Handwerklich ist der stets unterschätzte Sänger ohnehin über jeden Zweifel erhaben.
"No More Tears On The Dancefloor" lamentiert unser aller Bruder Louie in bester Chanteusenmanier - zwischen Meat Loaf, Cher und einem altägyptischen Klageweib. Fahrenkrog findet in dieser gelungenen Antwort auf "Crying At The Discoteque" die rote Linie zwischen Old School-70er Feeling und Großraumdisco.
Der Berliner lebt seine Keyboardleidenschaft auf dem Dutzend Tracks ungebrochen aus. Mal ein knuffig quietschendes Extrathema wie in "Summer Of Love". Dann ("Nathalie") wieder eine typische Synthie Wall of Sound à la "Sunglasses At Night". Alles gelingt stimmig und authentisch.
Fahrenkrog ist eben kein Epigone, sondern Pionier und Mitgestalter der New Romantic-Ära bzw. Synthiepop. Genau deshalb macht die Musik auch Spaß. Man hört das in Leidenschaft poppende Herz der beiden Überzeugungstäter in jeder Sekunde der LP.
Die Shakespears Sisters-Coverversion "Stay" ist kongenial gewählt. Fahrenkrogs kurz eingeschobener Gesang gerät schauderhaft und wirkt nicht halb so bedrohlich wie seinerzeit Siobhan Fahey. Anders hingegen klang in seiner gesamten Karriere noch nie so zerbrechlich rehäugig wie hier.
Schade nur, dass man den Befreiungsschlag insgesamt noch zu halbherzig anging. Das furchtbare "Maria" darf man getrost als ganz und gar überflüssigen David Hasselhoff-Schrott zur Hölle skippen. "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" ist dagegen ein Tower Of Song.
Die brauchbare Melodie "Army Of Love" erstirbt am eigenen tanzteehaften Seniorenstift-Tempo und dem dramaturgisch betulichen Arrangement. Wo ist bei solchen Totalausfällen jener Fahrenkrog, der vor zwei Dekaden mit Voodoo X an der Seite von Jean Beauvoir smarten Hairmetal machte und die einzigen drei relevanten Lieder zu Nenas Lebenslauf beisteuerte?
Auch das Ende der Schallplatte bringt nur bedingte Versöhnung. "I Miss You" geht als passable 80er-Las Vegas-Ballade durch. Die ästhetischen spanischen Elemente geraten zu Gunsten der totalen Überzuckerung arg in den Hintergrund. So kitschig wie ein amerikanischer Weihnachtsbaum. Es fehlen nur noch Mariah Carey und Michael Jackson zum gegenseitigen "Whoohahoo".
Thomas Anders hat so nicht "Nur Geträumt", sondern erstmalig eine echte Teamwork-Band gefunden. Und auch, wenn der Name dieser Combo klingt wie eine New Yorker Anwaltssozietät. Sie sind mit diesem Debüt auf dem richtigen Weg.
9 Kommentare
was soll der Nebensatz mit dem Hasselhoff-Schrott?
willst Watsche mit Fuß?
Ebenso wie bei dem "Gigolo" Video hatte ich bei deiner Review die ganze Zeit ein Grinsen auf den Lippen, toller Text Herr Anwalt.
WTF? Drecks-"Musik"!
danke, es geht
Wie kann man so eine gute Bewertung für so eine rieisigen Misst schreiben. Das kann nur passieren wenn es Leute in der Redaktion gibt, die nicht darüber hinweg kommen dass sich Anders und Bohlen getrennt haben. Das ist doch keine Musik was die machen! Man Man Man laut.de!
Allein der erste Titel "Gigolo": wenn ich schon sowas sehe auf der Playlist. Deren Tagträume will doch keiner wissen!
Laut.de bitte führt Minus-Punkte ein!
Wie kann man nur Apop und diese zwei Möchtegerns in einem Atemzug nennen??? Bei diesem Sound kräuselts mir die Zehennägel hoch. Apop ist Kult und was ist das?? Kanns nicht definieren.