laut.de-Kritik
Sind wir bereit dafür?
Review von Kai KoppIch habe in der Redaktion den Ruf, "seltsame" Musik zu mögen! Dann will ich diesem Leumund mal gerecht werden und eine wirklich abgespacete CD besprechen: "Trouble In Paradise" ist ein Album des knapp 60-jährigen Pedal-Steel-Virtuosen BJ Cole. Seit vier Jahren werkelt er in Kooperation mit einer stattlichen Anzahl von Elektronika-Koryphäen (u.a. Groove Armada, Kumo, Luke Vibert, Bent) an seinem sechsten Soloalbum. Sein Gitarrenspiel inspiriert jedoch bereits seit über 30 Jahren Englands Musikszene.
Man muss definitiv Jazz, Avantgarde oder sonstige seltsame Musik mögen, um "Trouble In Paradise" gut zu finden. BJ Coles musikalische Visionen bewegen sich zwischen ungewöhnlichen Songstrukturen, freier Improvisation, Avantgarde-Pop, zeitgenössischer Klassik, elektronischen Rhythmusfundamenten, Slide-Gitarren (die, bei denen man immer sofort an die hawaiianischen Baströckchen denkt) und sonstigem Unrat der weltweiten Musiklandschaft, dem eigentlich niemand zuhören will. Es gibt sie also, die Zappa-esken Musikwirrköpfe, die extrem durchgeknallte Soundscapes in sich tragen.
BJ Cole ist so einer! Zum Opener "Surf Acid Hoedown" meint der Altmeister der Stahl-Gitarre: "Mit Banjo und Geige mischte ich Acid Houseund Bluegrass." Die Frage ist nur: Sind wir bereit dafür? "Milkshake Roadmap" ist nach eigenem Bekunden eine "wahnsinnige Collage, die Einflüsse erkennen lässt, aber keine Parallelen". Aha!
Beim ersten Vocaltrack des Albums ("Keep Your Head") krabbelt ein trashig-grooviger Downbeat-Tom Waits aus den Boxen. Er hört auf den Namen Banknote Rajah, kommt aus Norwich und heißt in echt Jon Baker. "Casino Tan", ebenfalls mit Gesang, basiert auf einem Hip Hop Groove, der von Neil Conti (Brian Eno) angeliefert wird. BJ Cole integriert seine Gitarre diesmal mit Bontempi-Heimorgel-Klang. Abgedreht ist da noch milde ausgedrückt.
Der namensgebende Song "Trouble In Paradise" ist eine Kooperation mit dem inzwischen zu einiger Berühmtheit gelangtem Dimitri (Tikovoi). Er arbeitete bereits als Remixer für Placebo und Goldfrapp und liefert auch in BJ Coles Kontext hervorragende Arbeit. Kumos Beitrag entpuppt sich als "Stream Of Consciousness-Track im 7/8-Takt" mit Tabla-Fundament, Drum'n'Bass-Cello und Cheng bzw. Koto-Solo. Alles klar?
Abstrus, grotesk, wirr, finster, verworren, geheimnisvoll, abwegig, sonderbar, verschroben, bizarr, absurd, absonderlich ... all das fällt einem ein zu BJ Coles "Trouble in Paradise". Seltsam eben! Seltsam Gut!
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