laut.de-Kritik
Fantastisches Comeback des versponnenen Indie-Rockers.
Review von Philipp KauseDie Badly Drawn Boy-Klassiker heißen "Have You Fed The Fish?" und "The Hour Of Bewilderbeast". Mit diesen Platten galt Damon Gough Anfang der Nullerjahre als das nächste große Ding im britischen Indie-Olymp. Ob seine Songs für den Mainstream zu alternativ waren oder zu eigenwillig, der große Durchbruch blieb aus. Lange von der Bildfläche verschwunden, bastelt er nun wieder an Art Rock- und Britpop-Songs. Art Rock wegen der kantigen Drums, der vielseitigen Schlagkörper von Becken bis Xylophon, wegen der harten Gitarren-Riffs und zahlreichen Tasteninstrumente. Britpop aufgrund der Melodien, die sowohl die 60er als auch die 90er grüßen lassen. Das Album, zunächst nur im Streaming erhältlich, ist perfekt arrangiert, catchy, cheesy, edgy und bei aller Tristesse optimistisch.
Elegisch zieren Geigen-Figuren "Fly On The Wall". Das Glissando der Streicher passt zum Song wie ein Schlüssel ins Schloss. Der Widerhall der E-Gitarre im Intro von "Is This A Dream?" leitet in etwas Weihnachtliches über. Die zauberhafte Hookline des Liedes transportiert in ihrem Geflecht aus Trompete, Kickdrum, Keyboard-Loops, glockenhellem Lead- und Background-Gesang tanzbare Ausgelassenheit. Obwohl die Geschichte von Versagen, Verlust, Ängsten, Tränen erzählt.
Bei aller Süßlichkeit der Melodien handelt es sich um eine Platte mit scharfen, rockigen Kanten. Das Jazzrock-Riesenkollektiv Chicago hat es dem Künstler erkennbar angetan. Querverweise führen zudem durch alle Rock-Jahrzehnte, von Sixties-Psychedelic über jenen, 80s Wave, etwas Flaming Lips bis hin zur Vampire Weekend-Zitatmusik der 2010er.
Mit diesen Einflüssen im Rücken windet sich schon der Opener "Banana Skin Shoes" ergreifend schräg: Voice-Samples vermischen sich mit einer Art Tribal-Big-Beat, geschult am Drum'n'Bass von Fatboy Slim. Das Intro legt sich auf einen Gene Krupa-Rhythmus wie einst Apollo 440.
Im weichen "You And Me Against The World" zeichnen Violinen eine interessante Klangwand, eine Spector'sche Wall Of Sound. Der federnde Rhythmus, gepusht von einer klassischen 80s-Pop-Drum-Machine, treibt den Track voran und überträgt sich auf den Hörer. Ein bisschen Saxophon, etwas Glockenspiel hier und da, eine Spur Verzerrer-Noise. Welch ein liebliches Stück, und bei allen Schnörkeln bekommt das Ganze die Kurve vor der Ausfahrt in den Kitsch.
Der Nummer "I'm Not Sure" ist kaum auszuweichen, wer "Golden Brown" von den Stranglers kennt. "Note To Self" ist der beste Song, den Scritti Politti nie gemacht hat. Mit dem Timbre des Sängers Green Gartside und dessen typisch pluckernden Klangdesigns verordnet Badly Drawn Boy der Quirligkeit eine kurze Atempause. Die verträumte Melancholie, Versponnenheit und sein Gespür für Dramaturgie atmet aus jedem Song.
Badly Drawn Boy komponierte einmal den "About A Boy"-Soundtrack. Seine neue Scheibe würden Nick Hornbys Protagonisten so beschreiben: Wer mindestens zwei der folgenden acht Platten cool findet, wird diese hier innig verehren: "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band", "Different Class", "Father Of The Bride", "Love Letters", "Supermoon", "Shields" und "Strawberry Jam".
5 Kommentare mit 6 Antworten
Schmutz 1/5
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Wenn dir Schmutz nicht gefällt, musst du ihn nicht abwerten. Saubermann?
Wenn dir mein Kommentar nicht gefällt, musst du ja eine solche Musik nicht hören.
Wenn du sowieso irgendwann stirbst, musst du doch nicht für die Reichen und deren Zinsen schuften, um am Ende geschunden und ohne Rente dazustehen, oder?
Experiment läuft bisher erfolgreich
Geniale 5/5
Den hatte wohl keiner mehr auf dem Radar. Hatte damals keinen Zugang zu ihm, als er mal relevant war. Diese Platte ist 1A. Gute Songs, sehr aufregend arrangiert und produziert.
4,5/5 - finde das Album auch sehr schön. Mehrere Songs, die ich zunächst nicht sooo toll fand, "wachsen" mit jedem erneuten Anhören.
Hammerplatte, nach acht langen Jahren ...