laut.de-Kritik
Electropop zwischen Underground und Kommerz.
Review von Martin TenschertBooka Shade wandeln seit fast 15 Jahren zwischen Underground und Kommerz. Zum siebten Mal präsentieren sie nun ihre "definition of electronic music" mit sphärischem Synthie-Einschlag in Albumlänge. "Galvany Street" beherbergt zehn Stücke, die unter anderem in Zusammenarbeit mit Craig Walker und Daniel Spencer entstanden.
"Digging A Whole" gefällt mit rohem Industrial Charme und dreckigen Breakbeats, konterkariert mit wolkigen Synths und poppigen Vocals. Vielleicht ein bisschen zu sehr auf (Radio) Nummer sicher gesetzt, aber mit respektablem Ergebnis. Auch "Broken Skin" liefert eine für die Herren Kammermeier und Herziger typische Klangcollage aus Weltraum-Sounds und satten Drums, eingebettet in ein harmonisches Arrangement mit elegischem Break.
Trotz erneuter Alltagstauglichkeit schwingt hier immer eine künstlerische Eigenständigkeit mit, die es "Galvany Street" verbietet, in seichte, schlageresque Gefilde abzudriften, wie etwa zuletzt das Genre "Deep House". Wobei Arno und Walter mit ihrem Überhit "Body Language" damals, sicherlich unbewusst, den Startschuss für den Niedergang desselben abgefeuert haben könnten. Das ist aber reine Spekulation.
Zurück zu den Fakten: 80er Jahre Disco-Sounds mit Referenzen an Manchester, Hacienda und Happy Mondays klingen in "Babylon" durch. "Bez, give me an E." Fortgeschrittenes Alter bringt zuweilen Vorteile mit sich, zum Beispiel, dass man, was musikalische Zitate angeht, aus dem Vollen schöpfen kann.
Die Electropop-Nummer haben Booka Shade wirklich erstaunlich gut raus, "Loneliest Boy" bleibt mit analogem Drumkit und bauchiger Bassline im Ohr. Krude Synth-Soli und die genretypisch mehr oder weniger sinnlosen, aber eingängigen und lautmalerisch coolen Vocals komplettieren das Sittengemälde.
"Galvany Street"ist summa summarum ein recht vergnügsamer, zugleich nicht wirklich wagemutiger Ritt durch den aufwändigen Synthesizerfuhrpark des Teams Kammermeier/Merziger. Trotz Werbedeals für Levi's und Co. beweisen sie künstlerische Eigenständigkeit und ihr Gespür für die fließende Grenze zwischen Untergrund und Pop.
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