laut.de-Kritik
Bleibt in der Routine kleben.
Review von Philipp KauseEin mit Tattoos übersäter nackter Rücken hätte es nicht unbedingt sein müssen für Brian Setzers Nachfolger zum großartigen "Gotta Have The Rumble". Das neue "The Devil Always Collects" macht zwar vieles wie 2021 und nach bekannten Setzer-Strickmustern. Doch so wie die Verpackung, fällt die CD leider auch inhaltlich plakativer und schwächer aus. So findet sich keine zündende Hook, die haften bleiben und kaum eine Melodie, die sich förmlich ins Ohr schrauben würde. Einzig die John Barry nachempfundenen Harmonies im schwelgerischen "The Living Dead" sorgen für ein Ausscheren aus der Routine. Ansonsten ist alles auf die Rockabilly-Rhythmik und die Kunstgriffe an der Lead Guitar zugeschnitten, manche Tracks kommen mit knappen Lyrics aus.
Als Programm für eine gute Setzer-Scheibe reicht das fraglos. Doch obwohl sie davon handelt, wie man(n) dem Teufel und seinen Verführungen "pleasure, fame, fortune and sex" widersteht, wohltönt sie nett, beiläufig, und oberflächlich. Selbst die große Stärke der twangenden Surf-Gitarre oder des gelegentlichen sirenenhaften Honkytonk-Piano-Klimperns spielt das Album nur angedeutet in Short Breaks aus. Aber auch an dieser Energie der Instrumente beißt sich Setzer nicht fest: Kathartische oder draufgängerische Momente, wie sie bei Chryssie Hyndes Pretenders wieder im Mittelpunkt stehen, ereignen sich leider kaum. Zwei rare Highlights sind eine instrumentale Swing-Minute in "What'll It Be Baby Doll?" und ein Highspeed-Ritt über die Saiten durch die Tonleitern im Titeltrack.
Unterschwellig kokettiert die Platte mit dem Alter ihres Schöpfers, wenn es etwa auf der einen Seite heißt, "we're young and free", und der tätowierte Mann sich andererseits beim Blick in ein nächtliches Neonlicht-geflutetes Schaufenster fragt: "The guy in the reflection - is that really me?" ("One Particular Chick").
Der Antiheld, dem der Teufel immer diese Zigaretten zwischen die Finger drückt, sucht immer mal wieder eine Frau, für die gilt: "She's Got A Lotta...Soul!" Eine dieser Ladies setzt die Susi-Tradition in Rock-Songs seit Everly Brothers und CCR fort. Sie ist die "Psycho Suzie" und nimmt gern einen Trip, "to make the blues go away". In "One Particular Chick" scheint die Frau, die mal mit einem "funky old shirt" in "Rock Boys Rock" und mal mit einem "Black Leather Jacket" bezirzt wird, dann gefunden: "The one I love so true." Sie heißt dort nicht 'Baby Doll', sondern 'Chick'. Trotz aller Bitches im Rap und des Umstands, dass jede Subkultur ihre Sprache pflegen sollte, ist fragwürdig, ob es 2023 wirklich Not tut, Frauen in Songs als Puppen oder Hühner zu bezeichnen. In Analogie zu Brians Bandnamen 'Streunende Katzen' wirkt das dann gerade so, als ob die Katze das Huhn reißt und erlegt.
Was hingegen perfekt gelingt: In "Girl On The Billboard", im Original von Del Reeves 1965, zerklüften die Gitarrenakkorde wie in Scheiben geschnittene unterbrochene Tonwellen. Genauso wie sich Elektrizität in überspringenden Ladungsteilchen transportiert, hört es sich an. Dazu zu schaltet Setzer zwischen den heftigen Reverb-Effekten in rauen, monotonen Sprechgesang, der an Johnny Cashs "Get Rhythm" erinnert. Dass der alte Hase fast jedes Jahr mit frischem Stoff im Rennen bleibt und wie gut geölt mit seiner Gretsch jammt, ist klasse. Allerdings wirkt diesmal fast alles wie schon x-Mal da gewesen. Für seine US-Tour kündigt er hingegen mehr Experimente an, zum Beispiel ein Cover von "Georgia On My Mind", das er fürs Album nicht rechtzeitig fertig bekam, außerdem möchte er "ein paar Sologitarren und kleine Dinge spielen, die ich mir selbst ausgedacht habe. Ich bin noch nie dazu gekommen, also wird es etwas Neues sein."
Noch keine Kommentare