laut.de-Kritik
Nach einem unnötigen Pilzkopf-Cover folgt der Höhenflug.
Review von Kai KoppWen es nach dem Fab Four-Evergreen "Here Comes The Sun" im sanften Bossa-Gewand dürstete, erhält mit Céline Rudolphs Opener zwar Befriedigung. Ich gehöre eber nicht zu dieser Spezies und bin mehr als froh, den Einleitungstrack schadlos überstanden zu haben. Harte Kost!
Doch schon "Metamorflores", der folgende und titelgebende Song, täuscht nicht länger über die vorhandenen Qualitäten hinweg. Diese erstrecken sich von tollem Songwriting über hervorragende Instrumentierungen und Arrangements bis hin zu den stimmlichen Nuancen der deutschfranzösischen Sängerin und beschäftigen sich allesamt mit Rudolphs Liebe zu lateinamerikanischem Liedgut - auch wenn die Protagonistin zu bedenken gibt: "Ich beziehe mich auf französischen Chanson, amerikanischen und europäischen Jazz, brasilianische Musik, west- und südafrikanische Musik, eruopäische Kammermusik und Pop."
Auf fünf Songs greift Céline selbst zur Kompositionsfeder. Dazu gehört das wunderbar lässige "A La Recherche D'Une Metaphore", das die Sängerin auf französisch performt - und mit freundlicher Unterstützung von Till Brönner, der dem Bossa Nova zum 50sten selbst schon gratulierte. Den runden Geburtstag feierte das smoothe Rhythmusgebilde zwar schon vergangenes Jahr: Kein Hinderungsgrund, ihm nicht weiterhin mit hochwertigen Produktionen Respekt zu zollen.
Ihre selbst verfassten Lieder gehören in der Quintessenz zu den stärksten Kaufargumenten. Auf "Laraialara" verknüpft sie vielseitige Gesangs- und Improvisationskünste mit indischer Rhythmussprachkunst und einem schlicht wunderschönen Song. Ergänzt durch ein an Trilok Gurtus Harmonium erinnerndes Akkordeon (gespielt von Toninho Ferragutti) und Naná Vasconcelos, der auf insgesamt sechs Tracks die Percussion übernimmt - ein erster Höhepunkt.
Auf "Ragga Heliotropical" und "Matakoto" zeigt die Dresdner Jazzprofessorin ebenfalls was sie kann. Avantgardistisch und reich an sprachlicher Phantasie reicht sie Afrika die Hand und setzt Glanzpunkt Nummer zwei und drei. "Samba Con Preludio" und "A Medida Da Paixao" liebäugeln mit dem portugiesischen Fado, der derzeit eine massive Renaissance erlebt. Nicht nur für Saudade-Fans sind die melancholischen Lieder ein Ohrenschmaus. Das hervorragende "Din Don" arbeitet mit Berimbao, dem traditionellen Instrument der Capoeira-Tänzer, einen Teil der versklavten Geschichte Brasiliens auf.
Ob es geschickt ist, "Metamorflores" mit einem unnützen Pilzkopf-Cover zu eröffnen, sei dahin gestellt. Der Taktik, schwach anzufangen, um sich zu wahren Höhenflügen aufzuschwingen, gewinne ich dagegen einiges ab. Grund genug, ein Ohr zu riskieren.
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