laut.de-Kritik
Respektable Gästeliste, fade Kopien von Elvis, Beatles, Stones.
Review von Philipp KauseChrissie Hynde hätte man aus Konzertbesucher-Sicht gar nicht für so kontaktfreudig gehalten, dass sie den Nerv für ein Duett-Album wie "Duets Special" aufbrächte. "Fuck off! Ich habe gesagt, keine Fotos", kläfft sie das Publikum an, wenn Smartphones auf sie gerichtet sind. Abzüglich der Spielpausen, in denen sie aus Protest unterbricht, weil doch irgendwer ein Foto gemacht hat, hält sie von Bühnenansagen und Kommunikation augenscheinlich nicht viel, reißt lieber non-stop und introvertiert maximal viele (unbekannte) Stücke herunter. Wenn mit ihr so unterschiedliche Charaktere wie Cat Power, Dan Auerbach oder Killer Brandon Flowers trotzdem zurecht kommen - Leute, die alle locker ihre Kinder sein könnten -, dann spricht das natürlich für die umtriebige Singer/Songwriterin.
In den letzten Jahren veröffentlichte sie abwechselnd je ein Pretenders-, je ein Cover-Album, zuletzt ein Pretenders-Live-Doppel, und jetzt ist es wieder Zeit fürs Covern. Was oder wen Chryssie dabei mit Pals meint, um als Chryssie Hynde & Pals zu firmieren, bleibt nebulös. Es hat nichts mit dem PAL-System beim Fernsehen zu tun, ist keine neue Begleit-Band, und 'Pals' sind im Englischen eigentlich Kumpels. Bei den Aufnahmen zu diesem Album hat die Sängerin zum Beispiel Mark Lanegan nie persönlich kennen gelernt - und dann versteht sie ihn als 'Kumpel'? "Wir haben E-Mails geschrieben, und ich freute mich so darauf, ihn zu treffen. Aber das Schicksal heckte etwas anderes aus", textete die 74-Jährige auf ihren Social Media-Kanälen.
Dass die amerikanische Wahl-Londonerin die Idee zur Duett-Scheibe 2023 gehabt habe, Mark aber im Februar 2022 verstarb, widerspricht sich. Anzunehmen ist auch angesichts der sehr verschiedenen Wohnorte und vollen Tour-Schedules der Beteiligten, dass so manches weitere Stück via Filetransfer enstanden sein mag. Eruieren lässt sich das nicht. Technisch gesehen wird wohl jeder die ungeschickten Schnitte und holprige Links-Rechts-Abmischung bei "Try To Sleep ft. Debbie Harry" heraushören. Die Abneigung gegen Fotos kommt da in der Zeile "don't look at the camera" wieder zum Ausdruck. Geschickt schmiegt sich an dieses Alan Sparhawk/Low-Cover doch gleich noch ein Lied mit Alan an. Er raunt Zeilen von Cass McCombs.
Neben Mark Lanegan finden sich eine Reihe kleiner Sensationen in der Tracklist. Die Kollegin K.D. Lang (aktuell auf Deutschland-Tour) hat seit fast zehn Jahren nichts veröffentlicht. Gleiches gilt für Carleen Anderson, die in den Opernbereich abgewandert ist. Depeche Modes Dave Gahan, der mit den Soulsavers selbst vor ein paar Jahren ein Cover-Album machte, verirrt sich bei Hynde auf ein Konzept, das sich insgesamt viel um Schnulz, Schmalz, Heartbreak und Akustikgitarre herum rankt. In "Dolphins ft. Dave Gahan" startet er den rätselhaften Sixties-Folk mit dem Refrain. Das gibt's hier öfter, dass erst der Chorus, dann die Strophen kommen.
Shirley Manson von Garbage ließ sich zum kitschigen Oldie "Love Letters" überreden. Dieses Narkotikum hätte dem Album gern fern bleiben dürfen. Fraglich ist bei den meisten Versionen, ob man denn diese Songs wirklich noch einmal aufgegossen braucht? "Can't Help Falling In Love" - noch einmal Elvis wie bei "Love Letters" - könnte man seit UB 40 für final mausetot gecovert erachten. Eingefleischte Screaming Trees-Fans werden ihren Mark wahrscheinlich nicht so gerne mit dieser triefenden Sülze in Erinnerung behalten wollen. Der Anfang der Aufnahme ist wunderschön, und bis der Bass zum Solo erzittert, passt es. Dann reitet eine Lapsteel die Aufnahme ins Verderben. Die Stellen, in denen Chrissie unters raue Timbre Lanegans ein Zwischending aus Ko-Gesang und Background Vocals legt, lassen das Lied entgleisen und in Grusel-Kitsch münden. Spätestens jetzt verfärbt sich der Evergreen aschgrau.
Auch "Always On My Mind" verdankt dem Rock'n'Roll-King Presley den Durchbruch. Als Flöten-Instrumental bei James Galway besaß es mehr Reiz als bei David Hasselhoff, Chris de Burgh oder Julio Iglesias. Bei Shirley Bassey mag man ein Cover aufgrund ihrer Grandezza noch für essenziell halten, hingegen trotzt die Kombination von Chrissie und Rufus Wainwright der Schnulze nichts Neues ab. Sie ist immerhin technisch wundervoll gesungen: Rufus vollzieht eine Mischung aus Glissando und Trillern, wenn er "shouldn't" und "mind" anstimmt. Die Gastgeberin schwebt schwerelos durch die Nummer. Die Instrumentierung führt den Song zurück zu seinen Wurzeln in Memphis, wo er geschrieben wurde, und nach Nashville, wo ihn vor Elvis schon drei Interpret:innen aufnahmen.
"Me And Mrs Jones ft. K.D. Lang" als zwei Frauen aufzunehmen, ergibt mit der queeren Ikone K.D. Lang durchaus ein bisschen Sinn, schließlich handelt es sich um einen Fremdgeh-Song. "Sway" aus "Sticky Fingers" zündet. Den Stones Tribut zu zollen, hat Lucinda Williams 2021 hinlänglich geübt, was sich hier auszahlt, und das beherrscht sie auch besser als sie denn für die Beatles ein Händchen hätte. Schon ohne Hynde hatte sie "Sway" auf "You Are Cordially Invited... A Tribute To The Rolling Stones" platziert. Man kann aber nicht darüber hinweg hören, dass Lucinda einfach die Stones so sehr verehrt, dass sie diese möglichst eins zu eins kopiert. Derweil lässt Hyndes Gesang eigentlich kaum einen emotionalen Bezug erkennen. Das Gitarrensolo im Mittelteil zu jammen macht ihr wohl einfach Spaß.
Das einzige Stück mit einem andersartigen Ansatz beim Vortragen, in dem der Unterschied zum Original halbwegs markant aufblitzt, ist bei "(You're My) Soul And Inspiration ft. Dan Auerbach". Rund um eine warme, brummende E-Orgel zeigt sich viel Bandbreite an Ausdruck in beiden Stimmen. "First Of The Gang To Die ft. Cat Power" steht den beiden Künstlerinnen, zumal sie gitarrentechnisch sowieso gut im Morrissey-Sound schwingen. Das Lied ist grandios, das Cover auch, und über den Songautor schweigen wir hier lieber. Julian Lennon ahmt seinen Papa nach. "It's Only Love" aus dem "Help!"-Album ist eine gute Gesangs-Performance. Chrissie lässt die Saiten zittern. Trotzdem sorgt der Song nur ungefähr einen Hördurchlauf lang für einen 'oh, wow'-Effekt. Beim zweiten Mal ist dann eher Schulterzucken angesagt, und es stellt sich für die gesamte LP die Frage: Worin lag nun der künstlerische Anspruch?


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