laut.de-Kritik
Man möchte sich die Traurigkeit von der Seele schluchzen.
Review von Andrea TopinkaVorbei die Zeiten, in denen der Name Conor Oberst synonym stand für ein leidgeplagt ehrliches Songwriter-Wunderkind: Immerhin ist er jetzt ein 34-jähriger, verheirateter Mann. Die Brücke zurück zu damals schlägt er selbst aber viel eher als es auf Bright Eyes' letzter Platte "The People's Key" der Fall war. Dort teilen sich Einblicke in zerrissene Gefühlswelten den Platz mit Spiritualität und Philosophie, während es sich klanglich dem elektronischen Ausflug von "Digital Ash In A Digital Urn" annäherte.
"Upside Down Mountain", sein sechstes Soloalbum, untersucht wieder Liebe, Lebensentwürfe, Einsamkeit und Verzweiflung, allerdings unter optimistischeren Vorzeichen als in den Anfangstagen. Es erinnert an den Klassiker "I'm Wide Awake It's Morning", nur besetzt mit einem Protagonisten, der sich - wie "Time Forgot" eröffnet - immer noch abrackert auf der Suche nach Sinn ("I'm gonna work for my sanity / Give it everything I got"), dabei aber mehr aufräumt als aufwühlt. Verziert werden diese Songs mit noch mehr Bläsern, Keyboards, Pedal Steel und Backing Vocals der Schweden-Schwestern First Aid Kit.
Aufgenommen in Los Angeles, Omaha und Nashville mit Unterstützung des Produzenten Jonathan Wilson (Father John Misty) kehrt Conor Oberst zwar seinem Stammlabel Saddle Creek den Rücken. Auf alte Freunde aus dem Umfeld wie Andy LeMaster, Mike Mogis oder Nate Walcott baut er aber nach wie vor. "Upside Down Mountain" fährt in seinen Grundzügen auch weiter auf der Country/Folk/Rock-Schiene der Mystic Valley Band und Monsters Of Folk - nur um sie regelmäßig zu verlassen.
Der Anfang von "Zigzagging Toward The Light" wagt sich in "Ooohoooh"-Gefilde, bis es am Ende mit einem verzerrten Schrammel-Outro richtig kracht. Südstaaten-Rock mit treibenden Drums und fröhlich aufblitzenden Bläsern liefern die Vorabtracks "Governor's Ball" und "Hundreds Of Ways". In "Kick", einem Song, der auch gut auf "The People's Key" hätte unterkommen können, unterbrechen harte Riffs gelegentlich die Unbeschwertheit, die rhythmische Drums, Keyboard und Gitarre vermitteln.
Alles Momente, die Conor Oberst mit erhöhtem Tempo meistert und Beleg dafür, wie vielseitig sein Songwriting geworden ist. Seine Königsklasse bleiben trotzdem die reduzierten Momente: Egal, ob mit Vibraphon in "Night At Lake Unknown" oder einfach nur Gitarre/Piano wie bei "You Are Your Mother's Child" oder "Common Knowledge", hier möchte man sich wieder wie vor zehn Jahren mit ihm die Traurigkeit von der Seele schluchzen.
Denn obwohl Oberst mittlerweile an Perspektive gewonnen hat, manchmal fast altklug wirkt und dem Leben allgemein positiver gegenüber steht, gesellschaftliche Abgründe, Zweifel an sich selbst und Sinnleere tragen seine niedergeschlagene Weltsicht (" The world's mean and getting meaner too") weiter. So sehr wie es ihm vor Ruhm graut, "I hope I am forgotten when I die" ("Hundreds Of Ways") oder "Just trying to clear my mind from all the noise out there / All the spooks, all the moving parts / Cameras everywhere I look were imitate loss" ("Double Life"), so sehr spukt in seinem Kopf die Angst, wieder von geliebten Menschen verlassen zu werden: "So when I set myself to wonder / All the questions that remain / The only one that even matters / Is when I'll see you're face again" ("Artifact #1").
An anderen Stellen wechselt er den Blickwinkel von Innen nach Außen: Das Leben von Kathleen "Kick" Kennedy dient dabei genauso als Inspiration wie die (fiktiven) Erzählungen eines reichen Unglückseligen auf dem "Governor's Ball" oder eines reumütigen Vaters, der über das Leben seines Sohns von Geburt bis zum College sinniert ("You Are Your Mother's Child"). An Glaubwürdigkeit büßt Connor dabei nicht ein. Poet und Geschichtenerzähler war er immer im selben Maße wie ein Musiker.
Wie der Rest von "Upside Down Mountain" kreisen diese Songs um ein Thema, das sich durch diverse Veröffentlichungen zieht: Vergänglichkeit des Glücks, der Liebe, des Lebens allgemein und die Frage, wie man damit umgehen soll: "There are hundreds of ways to get through the day / Now you just find one". Als treuer, trostspendender Begleiter auf der Suche nach einem passenden Weg bleibt Conor Oberst uns hoffentlich noch lange erhalten.
5 Kommentare
wie (fast) immer eine großartige platte von connor
"Upside Down Mountain", sein sechstes Soloalbum..."
...sechstes Soloalbum?!
Da muss mir jemand auf die Sprünge helfen...
- Water (1993) (Zählt auch nicht so wirklich, wie ich finde)
- Self-Titled (2008)
- Outer South (2009)
- Upside Down Mountain (2014)
...und?
(Nein, "Gentlemans Pact" und "One of My Kind" sind keine "Soloalben")
(Nein, "Read Music/Speak Spanish" und "Monsters of Folk" auch nicht)
Wahrscheinlich werden da auch die BE-Alben gezaehlt, schliesslich ist das ja auch einzig SEIN Projekt und keine richtige Gruppe, oder?
Neenee, Bright Eyes inklusive wären wesentlich mehr als sechs. Und yep, BE war mehr oder weniger Conors Baby
Wer Interesse hat, sollte sich seinen NPR Tiny Desk Concert Auftritt dazu angucken. Ich mag die drei Songs dort fast noch mehr als auf dem Album. Insgesamt aber ne wunderschöne Platte, hat mich überrascht.