laut.de-Kritik

Soundtrack zu ziellosen Gedankenspaziergängen

Review von

Herzlichen Dank, Melting Pot! Da habt ihr mir ja wieder einen schönen Mist eingebrockt. Die Problematik, den gesammelten Ergüssen DJ Days ein Genre zuweisen zu müssen, stellt mich nicht eben vor die leichteste Aufgabe. "Instrumental Hip Hop" lautet wohl die offizielle Empfehlung. Mit "Instrumental Hip Hop" halte ich "The Day Before" aber für überaus unzutreffend etikettiert.

Okay. Unzweifelhaft sehen wir uns mit einem unglaublich talentierten Hip Hop-Produzenten konfrontiert. Days Herangehensweise an die Materie ist Hip Hop, seine musikalische Sozialisation muss Hip Hop gewesen sein, seine Resultate bergen die Essenz dessen, was Hip Hop ausmacht. Dennoch wird die durchschnittliche Mainstream-Hip Hop-Klientel "The Day Before" vermutlich eher enttäuscht zur Seite legen. Die wären dann allerdings selbst schuld.

Viel schlimmer: Unter den zahllosen Hörern, von denen ich weiß, sie wären von dieser Platte hingerissen, ließen sich womöglich viele von der Bezeichnung "Instrumental Hip Hop" abschrecken. Was machen wir denn jetzt? Ich plädiere für die Einführung des Genres "Absolut zauberhafte Kompositionskunst". In diese Schublade passte DJ Days hier präsentiertes Schaffen jedenfalls bedenkenlos hinein.

Seit Ende der 90er beglückt der Mann aus Los Angeles die Welt bereits mit seinen Werken. Dankenswerter Weise verhilft ein Deal mit DJ Olski, der einmal mehr einen guten Riecher bewiesen hat, diesen seit einigen Jahren auch hierzulande zu ein wenig verdienter Aufmerksamkeit. Bevor im Herbst Days Solo-Album "A New Beginning" erscheinen soll, an dem bereits fleißig gebastelt wird, lässt "The Day Before" die bisherigen Highlights, die bis dato teilweise nur auf Vinyl zu bekommen waren, noch einmal Revue passieren.

Der zeitliche Rahmen spannt sich dabei von "Close Your Eyes", der von einer kräftigen Basslinie in Form gehaltenen Collage aus Spoken Word-Fetzen, Raps, Cuts und Scratches, Voice-Samples und Gesang aus dem Jahr 1999 bis hin zu brandaktuellen Produktionen. Meines Wissens waren weder das von funky Percussion (Kollege Schuh? Zu den Cowbells, hier entlang!), Latino-Rhythmen und flockigem Samba-Gefühl beherrschte "A Place To Go" noch der trotz seines Tempos völlig entspannte Remix zu Mo' Horizons "Ay Y N'ama" zuvor irgendwo zu hören.

Kennern zurecht vertraut dürfen dafür "What Planet What Station" (inklusive zahlreicher Zitate aus Klassikern des Kalibers "Planet Rock"), der leicht sehnsuchtsvoll geratene Blick über "Four Hills" oder die an anderen Stellen bereits gepriesenen Tracks "Gone Bad" oder "Lovebug" vorkommen. Egal: Wiedersehen macht in diesem Fall ohne Frage Freude.

Freunde von Soul, Funk und durchaus auch melodischem Pop sollten dringend ein Ohr riskieren: Locker und unaufgeregt werden diese mittlerweile leider doch oft recht angestaubten Sparten modernisiert. Wer doch stark an einer etwas konformeren Sicht auf Hip Hop hängt und bisher einen MC vermisste, goutiere bitte die eleganten, ausdrucksstarken Flows eines Aloe Blacc in "Closer": Hochmusikalisch und dabei trotzdem verträumt sorgen DJ Day und sein Partner am Mikrofon hier für den idealen Soundtrack zu ziellosen Gedankenspaziergängen.

Live-Instrumente, Samples und programmierte Drums arbeiten sich gegenseitig in die Hände. Day verarbeitet von der Akustikgitarre über Rhodes und Streicher bis hin zu souligen Bläsern, einer Saxophon-Einlage oder ein paar Worten Gesang, was immer ihm in die Finger gerät und meistert dabei das Kunststück, selbst kleinteiligste Percussion so in einen melodiös-gelassenen Rahmen zu stellen, dass man sich nach Genuss eines seiner Tracks fühlt, als habe man eine ausgiebige Runde autogenes Training hinter sich. Im Grunde bietet "The Day Before" nämlich Easy Listening, im angenehmsten Wortsinne.

Trackliste

  1. 1. Four Hills
  2. 2. A Place To Go
  3. 3. Glue - Making A Mess (Day Remix Interlude)
  4. 4. What Planet What Station (Instrumental)
  5. 5. Manha
  6. 6. Koolude
  7. 7. Close Your Eyes
  8. 8. Lucien
  9. 9. Day And Exile Live
  10. 10. Lovebug
  11. 11. Gone Bad
  12. 12. Mo Horizons - Ay Y N'ama (Day Remix)
  13. 13. Closer (feat. Aloe Blacc)
  14. 14. Make You

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31 Kommentare, davon 23 auf Unterseiten

  • Vor 17 Jahren

    "Four Hills" gefällt mir im Moment schon einmal sehr gut, muss ich zugeben. das ganze aber irgendwie einzuordenen fällt mir schwer, aber ich glaube downbeat trifft das schon, irgendwie.

    wird auf jeden fall nicht in vergessenheit geraten.

  • Vor 17 Jahren

    "Instumental Hip Hop"? Naja.

    "Absolut zauberhafte Kompositionskunst". Ähem.

    Wie wär's den mit Abstract HipHop (http://en.wikipedia.org/wiki/Abstract_Hip_…)? Das hat bei uns früher in Bezug auf Dj Shadow (die alten sachen ;)), Cut Chemist & Konsorten immer ganz gut gepasst. Überhaupt errinert mich das ganze etwas an die "Product Placement" und Brainfreeze-Seesions von Shadow und Chemist: Dicke Breaks, elegante Cuts und darunter Funk & Soul. Eigentlich ist es ja schlicht "HipHop", aber da dieser Begriff von dem ganzen GangsterRap- & Chauvi-Scheiß dominiert wird tut es wohl schon Not auf einen anderen Begriff auszuweichen.

    Downbeat ist es natürlich auch, aber der Begrif ist mir zu weit gefasst.

  • Vor 17 Jahren

    "instrumental hip hop" ist die offizielle file-under-empfehlung. aber, wie gesagt: ich glaube, mit dem etikett geht das zeug an seiner zielgruppe total vorbei.