laut.de-Kritik

Coole Altersmilde statt Testosteron-Rock-Bomben.

Review von

Im Februar nahm Boyd Tinsley, Violinist der Dave Matthews Band, eine Auszeit. Familie und Gesundheit gingen vor, hieß es. Im Mai platzt die Bombe: Tinsley sieht sich Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt. Er soll sich an einem Musikerkollegen vergangen haben. Matthews reagiert schnell: Tinsley fliegt nicht nur aus der Band, sondern taucht bis auf eine Ausnahme ("Idea Of You") nicht auf dem ersten Studioalbum seit "Away From The World" 2012 auf. Für die Streicher engagiert er Session-Musiker.

"Come Tomorrow" klingt vom Titel her wie eine Mischung aus dem Beatles-Track "Come Together" und dem Ramones-Smasher "Here Today, Gone Tomorrow". Der darin anklingende Carpe Diem-Gedanke und das Gemeinschaftsgefühl umschreiben den Grundtenor der Lyrics sehr gut. Die großen Gesten gehören der Vergangenheit an. Verarbeitete der gebürtige Südafrikaner auf "Don't Drink The Water" die Apartheid in seinem Heimatland, treten anstelle gesellschaftspolitischer Themen persönliche Ansichten und Erfahrungen. Einfluss nimmt Matthews mittlerweile über Spenden oder der Unterstützung des Demokraten Bernie Sanders.

Die Platte weist einen Reifeprozess auf, der an manch guten Whiskey erinnert. Mehrere Produzenten, u.a. Rob Cavallo (Green Day, Phil Collins) und John Alagia (Ben Folds Five, Lifehouse), kümmerten sich um das Destillat und kitzelten aus dem Multi-Coloured-Sound die unterschiedlichsten Nuancen hervor. Ex-Barkeeper Matthews und seine Crew erprobten viele Songs bei ihren energetischen Live-Shows. Manche Versionen spielten sie nahezu identisch ein, etwa das radiotaugliche "Idea Of You", das mit einem schicken Live-Bootleg-Intro beginnt.

"Black And Blue Bird", live gerne auf acht Minuten gedehnt, braucht auf Platte nur knapp die Hälfte der Zeit, um den Hörer einzufangen. Im Wiegenlied-Tonus spielt Matthews ein Akustikgitarren-Pattern im 5er-Metrum und unterlegt diesen tricky Teil mit einer originellen Gesangsmelodie. Allein diese Stelle rechtfertigt den Kauf dieser Platte. Ähnlich wie auf "Away From The World" überwiegen die ruhigen, elegischen Stücke. Die restlichen Mucker um Gitarren-Ass Tim Reynolds und Drum-Wunder Carter Beauford agieren merklich im Hintergrund. Da wundert es kaum, dass Hip Hop- und R'n'B-Produzent Mark Batson (Beyoncé, Jay-Z) den prägnantesten Solospot - ein Synthie-Riff im Song "She" - einhämmerte.

Vom Esprit satter Testosteron-Bomben wie "Shake Me Like A Monkey" vom Überwerk "Big Whiskey & The Groo Grux King" oder "Ants Marching" sind Stücke wie "She" und "Don't Stop" weit entfernt. Klarer Fall von Altersmilde, schließlich überschritt Matthews im letzten Jahr die 50er Marke.

Neben "Black And Blue Bird" bleiben einige markante Matthews-Momente hängen: Die sinfonische Hymne "Come On Come On", das Ideenfeuerwerk und mutmaßlich nach einem gleichnamigen US-Trash-Film benannte "Samurai Cop" oder das mit einem gleißenden Refrain gesegnete "Again And Again". Diese Tracks beweisen, dass die Jamrock-Institution auch auf Platte noch genug Relevanz abliefert.

Trackliste

  1. 1. Samurai Cop (Oh Joy Begin)
  2. 2. Can't Stop
  3. 3. Here On Out
  4. 4. That Girl Is You
  5. 5. She
  6. 6. Idea of You
  7. 7. Virginia in the Rain
  8. 8. Again and Again
  9. 9. bkdkdkdd
  10. 10. Black and Blue Bird
  11. 11. Come On Come On
  12. 12. Do You Remember
  13. 13. Come Tomorrow
  14. 14. When I'm Weary

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