laut.de-Kritik

Unverkrampft zwischen Schwermut und Lebensfreude.

Review von

Iggy Pop ist zurück - und wie! Nach dem Tod seines besten Freundes und Stooges-Kumpanen Ron Asheton war es dem letzten Wilden des Rock unmöglich, das ganze Punk-Theater einfach fortzusetzen, als sei nichts geschehen.

Also zog sich The Ig zurück und nahm die verdiente Ruhe, den schmerzlichen Verlust angemessen zu verarbeiten. Das intim akustisch gehaltene Ergebnis "Préliminaires" ist eines der besten Alben in Iggys 40 Jahre währendem Schaffen geworden.

Wer jetzt glaubt, Herr Pop sei erst hiermit endlich erwachsen geworden, der irrt. Schon immer stand dem Bühnenberserker Iggy Pop der sensible, selbstreflexive und mitunter recht melancholische Charakter des James Newell Osterberg gegenüber. Herzergreifende Balladen wie "Living On The Edge Of The Night" oder "Nazi Girlfriend" hat er stets komponiert.

Seine Liebe zum Jazz dokumentierte er schon vor 20 Jahren mit dem swingenden Duett "Well, Did Ya Ever?" an der Seite von Blondies Debbie Harry. Auch reine unplugged Gigs streute der Amerikaner bereits mehrfach unter das Volk. Beide Seelen streiten seit jeher in der durchtrainiert gestählten Brust des Veteranen.

Gleichwohl bedeutet "Préliminaires" mehr als nur - dem Wortlaut nach - ein Vorspiel; es birgt auch das dicke Ende. Die Platte stellt eine Zäsur im Schaffen des Meisters dar. Die Behutsamkeit, Konsequenz und fast quälende Zuschaustellung der eigenen Gefühle über die gesamte Albumlänge ist tatsächlich neu. Ebenso die sehr frankophile Grundstimmung der meisten Lieder.

"Les Feuilles Mortes", die toten Blätter, ist ein alter Standard von Yves Montand aus dem Jahr 1946. Pop interpretiert diesen Chanson nicht bloß. Er erobert das Lied, als habe es schon immer auf diese warme, weise und unfassbar einsam klingende Stimme gewartet. Im Dialog mit der ebenso ohrschmeichelnden wie klagenden Klarinette Marc Phaneufs entfaltet der alte Rebell eine emotionale Intensität, die alle gängigen Balladensänger der Charts locker abhängt und als abgeschmackt entlarvt. Besonders empfohlen sei hier die zweite Version des Songs.

"I Want To Go To The Beach", "How Insensitive" und "Spanish Coast" verstärken den Eindruck noch. Osterberg weiß: Das Drama liegt nicht in aufwendigen Sounds oder gar Theatralik. Die Tragödie und das tiefe Gefühl warten tief verborgen im Inneren der Seele. Diesen Türspalt macht er einfach einen Fuß breit auf und lässt sein Herzblut fließen.

Dennoch bietet die CD auch viele Momente der typisch lasziven Eleganz des ledrigen Leguans. Das bunte, charmant windschiefe New Orleans-Liedchen "King Of The Dogs" spielt erneut mit Iggys oft verbalisiert empfundener Wahlverwandtschaft zum Hunde und seiner ausgelassen treuen Natur.

"Nice To Be Dead" fällt hingegen ein wenig aus dem Rahmen. Mit seinem berühmt schelmischen Smile of the Reptile (so sein alter Kumpel David Bowie) rotzt er Gevatter Sensenmann trotzig rockend seine "Lust for Life" vor die knochigen Füße. Der knisternd erotisierende Gastauftritt der Französin Lucie Aimé in "Je Sais Que Tu Sais" zu dem simplen aber hypnotischen Blues-Riff Pops rundet das Ganze ab.

Mit diesem Album gelingt Iggy Pop der ganz große künstlerische Wurf. Das unverkrampft gelungene Pendeln zwischen lebenserfahrener Schwermut und frischer Lebensfreude verleiht ihm den längst überfälligen Ritterschlag. Der einzige Nachteil ist die mit 36 Minuten eher geringe Spielzeit. Aber andererseits ist dieser Umstand einem Vorspiel angemessen. Der suchtgefährdenden Unterhaltsamkeit der Platte tut dies jedenfalls keinen Abbruch.

Trackliste

  1. 1. Les Feuilles Mortes
  2. 2. I Want To Go To The Beach
  3. 3. King Of The Dogs
  4. 4. Je Sais Que Tu Sais
  5. 5. Spanish Coast
  6. 6. Nice To Be Dead
  7. 7. How Insensitive
  8. 8. Party Time
  9. 9. He's Dead/She's Alive
  10. 10. A Machine For Loving
  11. 11. She's A Business
  12. 12. Les Feuilles Mortes (Marc's Theme)

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Trotz seines Alters sind die Liveauftritte des am 21. April 1947 geborenen James Osterberg noch immer ihr Geld wert - auch nach der Jahrtausendwende.

18 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    das album macht auf mich einen schlaffen, müden eindruck...
    richtiger rock ist was anderes.
    das erinnert mich auch etwas an "avenue b"...
    ich mag iggy lieber laut und mitreißend.

    man muss wohl auf musik von solchen schlafmützen wie cohen oder reed stehen um dieses album zu genießen. :)

    ich freue mich auf die kommende reunion des "raw power"-line ups.

  • Vor 15 Jahren

    Warum musst du uns immer die Begrenztheit deines Musikgeschmacks vor Augen führen?

    Cohen hat tausendmal mehr Biss in seinen Texten als ... äh ... du hörst eigentlich ganz gute Sachen, die ich jetzt gar nicht runterziehen will. Schade eigentlich. :evil: Ich schick dir mal ein VU-Bootleg ...

    Ich hab 'nen Horror vor Reunions. Spätestens seit der Reunion von Led Zep zu 40 Jahre Atlantic Records. Da hab ich mich die ganze Nacht vor der Glotze anöden lassen, um morgens etwa um 6 (?) ein paar abgehalfterten Säcken zusehen zu müssen, wie sie ihren Mythos demontieren.

  • Vor 15 Jahren

    http://blog.iggypoppreliminaires.com/

    schöne oster(brtg)-gimmicks!

    @thele g.:

    die stooges reunion war aber schon wirklich geil.

    live in glastonbury 07 zB war dermaßen energiestrotzend, flummi-like und roh. da können ledzep ohnehin einpacken, obwohl die auch nicht älter sind.