laut.de-Kritik
Dem Comeback fehlt der entscheidende Funke.
Review von Yannik GölzEs war ein verdammt lyrischer Sommer. In Hip Hops kommerziell schwächstem Jahr seit den Neunzigern und dem Kollapsjahr des Traps erleben wir ein Comeback der Blog Era-Conscious-Rapper, die man trotz aller früheren Hypes schon als verloren geglaubt hatte. Chance The Rapper veröffentlichte vor ein paar Wochen sein langersehntes Folgealbum, und nun kehrt auch Joey Bada$$ zurück.
Motiviert von Kendricks Drake-Schlachtung 2024 geriet Joey jüngst in einer launigen Westcoast-Eastcoast-Fehde ein paar Mal ganz unterhaltsam mit TDE-Rapper Ray Vaughn aneinander. Wahrscheinlich ist es dieser Competitiongeist, der ihn dazu brachte, mal wieder komplett auf Platte zu erscheinen.
Seine frühen Mixtapes gehören immerhin zum Besten des New Yorker Boom Bap-Revivals (eine Strömung, von der seine Stadt sich sehr schnell sehr weit abgewendet hat). Es ist "Lonely At The Top", moniert dieses Album. Leider klingt es tatsächlich kaum nach Höhen oder Tiefen. Absolut solides Handwerk, das aber kein Argument dafür findet, warum Joeys Rückkehr von größerer Relevanz sein sollte.
Dabei sind es tatsächlich die letzten beiden Tracks, die am meisten überzeugen. "Still" mit Ab-Soul und einer Rapsody, die sträflicherweise nur auf Hook-Duty läuft, statt selbst einen Part zu kicken: Hier geht es um Hunger und um die Dinge, die man den eigenen Kindern zurücklassen möchte. Dieses Instrumental hat etwas Dringliches und Nokturnales, das sich in den Gehörgang frisst. Selbiges gilt für den Titeltrack: Mit einer schönen Gang Starr-Referenz in der Hook gleitet Joey großartig über einen Jazz-Sample-Beat, der in seiner Cool Jazz-Kahlheit auf den letzten paar Minuten die New York-Aura verströmt, die ich bei Bada$$ eigentlich haben will.
Man fragt sich, wo diese Stimmung bis jetzt eigentlich geblieben ist. "Lonely At The Top" ähnelt irgendwo "Star Link" von Chance The Rapper und "God Does Like Ugly" von J.I.D: Es sind Alleskönner-Alben von Rappern, die nicht wissen, wohin mit ihrem Talent. Aber Joey trifft es von allen dreien wahrscheinlich am härtesten, weil gerade in der Mitte des Albums viel relativ gesichtsloses Gespitte und generische R'n'B-Hooks keinen Eindruck hinterlassen. Ein generischer Filler wird nicht besser, weil er sehr überzeugend wie der generische Filler aus einer anderen Ära klingt.
Joey ist am Mic einfach keine Präsenz. "Underwater" bekommt eine solide Performance, "Dark Aura" ebenso. Aber abgesehen von ein paar coolen Flows wirkt es auch nicht so, als hätte er groß etwas zu erzählen. Die Lyrics manövrieren auf einem konstanten '6 von 10'-Level. Da sind manchmal schon Wortspiele oder ein paar lyrische Mittel, aber nichts, was hängenbleiben würde. Man nimmt erschreckend wenig mit, liest man die Texte. Joey liefert immer ungefähr das, was man sich so vorstellt, was ein Typ wie er halt sagen würde.
"Lonely At The Top" erinnert mich vor allem an die moderneren Nas-Alben. Das hier ist ein "King's Disease, Teil eins". Die Platten sind solide, machen absolut nichts falsch und driften angenehm vor sich hin. Wie viel man daraus mitnimmt, hängt dann am Ende davon ab, wie sympathisch einem der Protagonist ist. Doch Joey ist eben kein Nas - sein Pen ist auf diesem Album spürbar rostig, seine Stimme wenig agil.
Selbst der Titel der Platte ist irgendwie dämlich. Welches 'Top'? Bruder, du warst vor 12 Jahren mal im oberen Mittelfeld und dümpelst seitdem vor dich hin. Aber es ist auch nicht so, als hätte er viel über dieses 'Top' zu erzählen. "Lonely At The Top" ist eine durchschnittliche Pflichtübung von einem nominell großartigen MC, der auf diesem Comebackalbum vor allem damit beschäftigt scheint, Fehler zu vermeiden. Aber man macht Sachen nicht richtig, nur indem man sie nicht falsch macht.
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