laut.de-Kritik
Der Lothar Matthäus unter den Mixtape-DJs.
Review von Alexander EngelenEigentlich verrückt, dass Mixtapes heutzutage immer noch Mixtapes heißen. Auf Musikkassetten wird nun beim besten Willen rein gar nichts mehr zusammen gemischt. Mix-CD hört sich jedoch ziemlich bescheuert an. Nennt so doch jeder seinen selbst kompilierte Ballermann-Mix. Die Bezeichnung Mixtape bleibt also genauso wie die Daseinsberechtigung der Dinger, die Hip Hop-Fans von Inglewood bis Erlangen mit dem neuesten heißen Scheiß der Szene versorgen.
Erlangen? Richtig gehört. Denn mit dem viel versprechenden Nachwuchs-DJ KL52 hat jetzt auch die mittelfränkische Siemens-Metropole ein Wörtchen mitzureden. Zumindest in der hiesigen Szene, die Mixtapes immer noch stiefmütterlich behandelt, liefern KL52s "VS Mode"-Mixtapes die Möglichkeit, einigen Hits der vorwiegend amerikanischen Rap-Fraktion zu lauschen.
Doch ein Mixtape wäre nicht ein Mixtape, wenn es darauf nicht eine Handvoll Gimmicks zu entdecken gäbe. Exclusives etwa, also Tracks, die ausschließlich hier zu hören sind, motzen die zusammengestückelte Single-Polonäse ein wenig auf. KL52 hat auf seinem zweiten Werk diesen Job an einige Newcomer der Deutschrapszene delegiert. Zwischen großen Namen des US-Raps geben also F.R., Samy Deluxes Headliners, die süddeutschen Nachwuchsrapper Juse Ju und Plan B sowie Orkan Gazi und Ill Grill & B.A.G.I. ihre mehr oder weniger überzeugenden Talente zum Besten.
Bis auf Tones "Reimroboter" sind diese Exclusives auch die einzigen deutschsprachigen Beiträge auf "VS Mode Two", weswegen KL52 leicht der Unterjubelung heimischer B-Ware zwischen "echten" Ami-Raphits bezichtigt werden könnte. Eigentlich schuldig im Sinne der Anklage kommt KL52 noch mit einer Bewährungsstrafe davon, indem er die Tracks in den Fluss des knapp 80 Minuten-Tapes passend verpackt. Zu verdanken hat er das der Offenheit, sein Mixtape mit Beiträgen von ganz unterschiedlichen Künstlern zu bestücken.
Es folgt ganz ungeniert Skillz ("Imagine") auf 213 ("Mary Jane") und Fifftys Gassenhauer "Outta Control", De La Soul mit der kongenialen Madlib-Produktion "Shopping Bags" auf den fast vergessenen Joe Budden ("Jingle Baby") und Xzibit ("Criminal Set") auf Public Enemy ("Can't Hold Us Back"). Und wer hätte gedacht, dass sich die Roots ("Duck Down") so locker zwischen die Young Gunz ("Set It Off") und Cassidy ("I'm A Hustler") einordnen lassen? KL52 unanstrengende (und das ist bei einem Mixtape besonders wichtig!) Cuts und Übergänge machen es möglich.
Als wären fünf Exclusives nicht genug, hat KL52 außerdem von Deutschlands derzeit höchst angesagtem Produzenten-Duo Beathoavenz zwei Remixe geordert. Sowohl die Neuvertonung des durchgeknallt-genialen Ying Yang Twins-Stücks "Wait" als auch die Beathoavenz-Interpretation von Gwen Stefanis Cheerleader-Hymne "Hollaback Girl" ist den Aggro Berlin-Beatbastlern durchaus gelungen. Die Ying Yangs flüstern sich, ähnlich wie im Original, auf heruntergeschraubten Synthiebrocken Sauereien ins Ohr und Miss Rossdale schicken DJ Smolface und DJ Perez musikalisch in den elektronischen Orient.
Der Blick auf die Tracklist bleibt bei weiteren Krachern hängen: DMX, EPMD, Looptroop, Pete Rock & CL Smooth, Booba und viele mehr. Die Liste ist lang und ohne Zweifel gut bestückt. KL52 macht seiner Heimatstadt Erlangen keine Schande und leistet hochwertige, saubere Arbeit - reißt aber nicht völlig von den Socken. In einem anderen Metier schaffte das bereits ein anderer Erlanger: Lothar Matthäus.
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