laut.de-Kritik
Gelungene Verbindung aus Pop und osteuropäischer Tradition.
Review von Toni HennigBei ihrer Tournee im letzten Winter brachte die in Georgien geborene Sängerin Katie Melua mit ihrem samtweichen, reduzierten Pop wieder einmal alle Fanherzen zum Schmelzen. Die Tour bestritt die mittlerweile 35-Jährige gemeinsam mit ihrer Band und dem 16-köpfigen Gori Women's Choir, der schon auf ihrem letzten Studioalbum "In Winter" von 2016 mitwirkte. Nun erscheint ein Mitschnitt ihres Konzertes in der Central Westminster Hall in London vom 8. Dezember 2018 als Doppel-CD.
Dort schöpfte Melua nicht nur aus einem Repertoire an Eigenkompositionen aus ihren bisherigen Studioalben, sondern setzte hier und da auch auf ein paar Coverversionen und ein paar klassische und traditionell-folkloristische Klänge. Letztere vernimmt man zu Beginn in "Tu Ase Turpa Ikavi", einst vom 1968 gegründeten georgischen Rustawi-Chor gesungen. Dabei klingt Katies Stimme ungewöhnlich tief und sehnsüchtig, aber auch geerdet und warm. Auf jeden Fall stehen der Mittdreißigerin diese tief in ihrer Heimat verwurzelten Töne hervorragend zu Gesicht.
Ebenso sparsam geht es mit "Plane Song" weiter, bis schließlich die beiden Hits "Belfast" und "Nine Million Bicycles" folgen. Die gewinnen durch das routinierte Zusammenspiel der Band gegenüber den Studioversionen an Dynamik, wenn E-Gitarren-Sounds von Meluas Bruder Zurab und die psychedelische Orgel von Mark Edwards für Weite sorgen, während Drummer Nicky Hustinx und der Bassist Tim Harries ein lebendiges, aber nie zu aufdringliches rhythmisches Fundament liefern.
Als noch besser erweist sich die darauf folgende Neuinterpretation von The Cures "Just Like Heaven", das Melua in ein folkig countryeskes Gewand kleidet, das ohne unnötiges Beiwerk auskommt, so dass der Fokus ganz auf der unsterblichen Melodie liegt. Die hat auch Joni Mitchells "River" aufzuweisen. Nur erstrahlt der Song aus dem traurig schönen Meisterwerk "Blue" durch den Gori Women's Choir, der hier erstmalig seinen Einsatz hat, in einem helleren, sakraleren Licht als bei der Kanadierin.
Der Chor sorgt auch in den nächsten Songs für eine ebenso festliche wie auch leicht unheimliche Stimmung. Besonders schön nachzuhören in "All-Night Vigil - Nunc Dimittis", einer klassischen Komposition von Sergei Rachmaninoff, wenn das Vokal-Ensemble Katies dramatische Stimme mit geisterhaften Gesängen unterstützt.
Die erste CD beschließt ein Cover von Shirley Basseys "Diamonds Are Forever", das mit der Eleganz des Originals nicht mehr viel gemein hat, da Melua mit wenigen Akustik-Gitarren-Akkorden und ihrem kuschelweichen, zarten Timbre es sich ein wenig zu sehr in ihrer Komfortzone bequem macht.
Das lässt sich leider auch über ein Großteil der zweiten CD sagen, zumal der Chor in "Perfect World" und "I Cried For You" zu sehr zum unbekümmerten Beiwerk verkommt. Beim traditionellen ukrainischen Volksgesang "The Little Swallow" dagegen kristallisiert sich die melodische Eigenständigkeit der einzelnen Stimmen des Vokal-Ensembles, die sich aus der polyphonen Kompositionsweise ergibt, um Einiges deutlicher heraus als zuvor.
Ab "The Flood" war es das erstmal mit dem Chor. Die Band übernimmt so langsam wieder das Ruder und führt Katie in harmlose Wohlfühl-Sphären ohne nennenswerte Überraschungen. Allmählich wünscht man sich die Dynamik der ersten Hälfte zurück. Ausnahme: Die Neuinterpretation von Blacks "Wonderful Life", geprägt von lockeren psychedelische Orgel-Einschüben.
Dafür finden die Sängerin und ihre Band zum Ende des Konzertes wieder zu Top-Form zurück. Stings "Fields Of Gold" bietet Katie an ihrer Akustikgitarre mit sehr viel Gefühl dar und "Maybe I Dreamt It" bildet mit schwebender Instrumentation, souligen Chor-Gesängen und verträumter Melodie den Höhepunkt des Konzertes, zumal der Song in einer äußerst emotionalen Klimax mündet, die Gänsehaut erzeugt. "What A Wonderful World", das denkt man sich auch sofort, wenn der Louis Armstrong-Klassiker mit der jazzigen Betonung Meluas und sich nach oben schraubenden Stimmen des Vokal-Ensembles in erhabener Schönheit erstrahlt und so die wenigen Längen zuvor vergessen lässt.
Mit "Live In Concert" , das ein 84-seitiges Hardcover-Booklet mit einem Vorwort der Sängerin, Beschreibungen zu den einzelnen Tracks und unveröffentlichten Fotos, die vom berühmten Fotografen Karni Arieli stammen, üppig abrundet, kann man unterm Tannenbaum nicht viel falsch machen.
1 Kommentar mit einer Antwort
äh, ich glaube Fields of Gold ist von Sting und nicht von Neil Young
Natürlich, danke!