laut.de-Kritik

Intensive Aufarbeitungen auf inkohärentem Album.

Review von

"Irgendwann nehm' ich den Stift und dann alle so: 'Fuck'!" Mach One geizt ganz gerne mit Musik. Als 2005 sein Debütalbum "Das Meisterstück Vol. 1 - Guter Rap Gedeiht Im Dreck" erschien, hatte der Berliner bereits sieben Jahre lang seine Runden durch die lokale Szene gedreht, das Label Bassboxxx mitbegründet sowie Basstard, Frauenarzt oder King Orgasmus One ein Aufnahmestudio geboten. "M.A.C.H." , sein letztes Lebenszeichen in Albumlänge, liegt erneut fast ein Jahrzehnt zurück. Und dennoch betont das Multitalent: "Ich existiere nur aus einem Grund: Meine Kunst zu hinterlassen."

Die "Herzmassage" hüpft im Takt des Beats. "Hätt’ ich mal 'n bisschen mehr wie Fler gerappt", zieht er gleich zu Beginn seines Albums ein Lebensresümee. Umso trotziger fallen seine letzten Worte aus: "Fick deine Mutter, du Hurensohn!" Deutlich schwingt seine Nahtoderfahrung mit. Eine verfeindete Gruppe stach den Rapper im Sommer 2006 am Schlesischen Tor nieder. Einem Lungendurchstich fiel er beinahe zum Opfer. Mach One blickt nun mit fatalistischem Humor auf seine lebensgefährliche Verletzung zurück: "Einstecken kann ich, die drei Stiche waren nichts."

Wie traumatisch der Vorfall in Wahrheit auf ihn wirkte, zeigt sich im Anschluss in "Leinwand". Mach One lässt die ironische Deckung herunter, um mit schwerer Stimme die Wunden offenzulegen: "Heute träum' ich jede Nacht von Stichen und bemüh' mich, nicht kaputtzugehen." Erinnerungen an Maeckes' Konzeptalbum erwachen, wenn er sich nach dem kindlichen Guten zurücksehnt. Seine besondere Kunst besteht darin, Zeilen ebenso traurig wie tröstend klingen zu lassen, etwa wenn er durch Berlin streift: "Jeder Hof ist ein Abenteuerspielplatz. Das halbe Leben findet in der Fantasie statt."

Die unterschiedlichen Herangehensweisen an dasselbe Thema sprechen für Mach Ones Vielseitigkeit. Zugleich schadet es dem inneren Zusammenhang. Vor allem durch das Überangebot an Gästen lässt sich der Berliner allzu oft stilistisch treiben. Mit Mortis übt er sich in Trash-Talk ("Klar Komm"), mit Basstard lässt er sich in sakraler Atmosphäre zu ironiefreiem Pathos hinreißen ("Ewiges Leben"). JAW und Crystal F entführen ihn per Saxofon in die Chillout Lounge, bevor die beiden gewaltsam in den Anarcho-Rap rund um Geschmacklosigkeiten à la Sodomie und Sextourismus wechseln ("Deeptalk").

Am besten funktioniert der Rapper an der Seite von Gleichgesinnten wie in "Alle Killn" neben "Hobby-Misanthrop" Taktloss und Rhymin Simon, dem wieder zunehmend der Spaß anzuhören ist: "Gegensätze ziehen sich an, deine Freundin zieht sich aus. Einfache Gleichung - Carl Friedrich Gauß." Als krasses Gegenteil geht "Bruda" mit Akte One durch. Fortlaufend unterbricht Mach One den rauen Vortrag seines Konterparts für entschuldigende Anrufe, dass er sich zur Aufnahme verspäte. So zerschießen die beiden erfolgreich den Song und unterwerfen ihn einem überschaubar lustigen Witz.

"Wünsch Dir Was (Outro)" kombiniert klagende Streicher mit Spoken-Word-Witzeleien Mach Ones und Alligatoahs melodischem Gesang. Wie unausgegoren er mit Stimmungen und Themen umgeht, zeigt sich darin, dass besagtes Outro und "Bruda" ausgerechnet "Schlesi" zwischen sich einklemmen. Ein unheildrohendes Instrumental begleitet den wohl intensivsten Song des Albums. Erneut reflektiert er die Messerattacke, die ihn beinahe das Leben gekostet hat und bis heute in verzweifeltes Unverständnis treibt: "Warum bin ich ein Mensch, den ein anderer Mensch ermorden will?"

Symptomatisch fällt auch das selbstbewusste "Ein Meister Aus Kreuzberg" aus, das ein typischer Opener wäre, hier aber noch nach dem Outro folgt. Der Berliner nutzt den Representer, um noch einmal den Werdegang des Untergrund-Rap Revue passieren zu lassen sowie Entwicklungen zu kritisieren: "Seit Orgi in Österreich lebt, kann ich's echt nicht mehr einschätzen: Ist es provokant oder rechts?" Mach One selbst lässt Politisches außen vor, doch die Inkohärenz seines Comebacks lassen auch ihn wankelmütig wirken. Das nächste Album darf trotzdem gerne vor Ablauf des Jahrzehnts folgen.

Trackliste

  1. 1. Licht Aus (Intro)
  2. 2. Herzmassage
  3. 3. Leinwand (mit Mike Martn)
  4. 4. AB Ansage (Skit)
  5. 5. Alle Killn (mit Taktloss und Rhymin Simon)
  6. 6. Stadt Aus Stein (mit Nico K.I.Z.)
  7. 7. Strohhalmfabrik
  8. 8. Ewiges Leben (mit Basstard)
  9. 9. Klar Komm (mit Mortis)
  10. 10. Bruda (mit Akte One)
  11. 11. Schlesi
  12. 12. Wünsch Dir Was (Outro) (mit Alligatoah)
  13. 13. Ein Meister Aus Kreuzberg
  14. 14. Deeptalk (mit Crystal F und JAW)

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