laut.de-Kritik
Man sollte sie in einem Atemzug mit Slash und Stevie Ray Vaughan nennen.
Review von Manuel Berger"I've learned to embrace the guilty pleasure of '80s rock songs, with the big choruses, or the 2014 mainstream melody you can’t get out of your head. These catchy choruses and hooks live inside of us once we've heard them, and I wanted to do that to people."
Dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt hat Megan Lane mit "Sounding The Animal". In der kanadischen Heimat ging das bereits 2014 hervorragend auf. Mit dem Song "Someday We Will Leave This Town" hält sie sich sieben Wochen in den Top 30-Radiocharts und holt sich einen "Rock Song Of The Year"-Award. Ob es beim nun anstehenden weltweiten Release ebenso gut läuft, darf bezweifelt werden, zu wünschen wäre es allemal. Verdient sowieso.
Tatsächlich vollführt die von Rae Spoon co-komponierte Leadsingle eingangs angesprochenen Spagat zwischen Classic Rock-Appeal und heutiger Massentauglichkeit mit Bravour. Ein einfacher Stampfbeat zieht sich durch die gesamten dreieinhalb Minuten. Den könnte sogar die Guetta-Jugend feiern.
Synthesizermelodien und Gitarre dagegen drängen ins Stadion, fordern Haarspray und Rockstarposen. Song-im-Song-Solo und Kinderchor finden ihren Platz im Interlude. Obwohl einzelne Elemente danach schreien, wirkt doch nichts kitschig, anbiedernd oder over-the-top. "Someday We Will Leave This Town" ist ein Hit. Punkt.
Und dabei noch nicht mal ansatzweise der beste Track des Albums. Dort warten Stücke ganz anderen Kalibers. Schon der Opener "Whiskey To Remember" krempelt Pop/Rock-Maßstäbe auf Anhieb um. P!nk würde vermutlich schon seit Jahren gerne so klingen. Megan Lane ist aggressiv, wild, wütend, zugleich unglaublich eingängig, poppig und zugänglich – ohne Anspruch vermissen zu lassen.
Ständig tanzt sie zwischen straightem, publikumsfreundlichem Hard Rock respektive Pop Rock und experimentellem Chaos. Die Blues-Wurzeln sind unverkennbar, gerade, was das Gitarrenspiel angeht. Trent Reznor-Elektronik fehlt aber genausowenig ("Making An Animal", "Cabin In The Woods"). Außerdem zieht sie sämtliche Register des Dreckrocks: Orgel, Fuzz-Pedal, Riffs, sloppy Single-Note-Lines. "Sounding The Animal" ist ebenso 70er, wie es 80er, 90er und 2000er ist. Nur erscheint es eben 2016 und ist seiner Zeit noch immer irgendwie voraus.
Die Hook, die in "Whiskey To Remember" bereits nach 30 Sekunden reinknallt, brennt sich sofort ins Gedächtnis. Weitere 30 Sekunden später setzt Lane zum Gitarrensolo an. Viele werden folgen – grandios ohne Ausnahme: "Wherever You Are (Keep My Heart)", "Hungry", "Make Me An Animal", "Never Easy" und allen voran "Soul Becomes A Ghost". Diese Frau sollte in einem Atemzug mit Slash, Bonamassa, Vaughan und Co. genannt werden.
Ihr Ansatz gleicht einem Asaf Avidan. Nur agiert Megan Lane weniger grazil und filigran – sie packt lieber gleich den Vorschlaghammer aus und verbindet das Avantgardistische mit Heavy Rock der Marke Halestorm. Zwar fehlt der Metalanteil, die Durchschlagskraft ist dennoch mindestens ebenbürtig. Man führe sich nur einmal "Cabin In The Woods" zu Gemüte – ein Brocken, ausgestattet mit Schädelbohrer-Synthies vom Feinsten. Auch hier stimmt die Balance: Auf der einen Seite Mindfuck, auf der anderen unverschämtes Ohrwurm-Potential.
Welche der beiden Seiten mehr im Fokus steht, variiert allerdings von Song zu Song. "Wherever You Are (Keep My Heart)" konzentriert sich in erster Linie auf seine flächendeckenden Vocal-Melodiebögen. Wobei immer wieder Zwischenharmonien einstreuen und die Hauptstimme unterstützen.
Weniger melodie-, dafür beatgetrieben: "Romantic To Me", das auch einen starken Text beisteuert. Eine auf den ersten Blick cheesy Hook konterkariert Lane mit Strophen, die weit weg von Oberflächlichkeit spielen: "Blood diamond and holocaust gold / That ain't romantic to me / A promise ring has a book of history untold / That ain't romantic to me". Egal ob in dieser oder einer der anderen Nummern: Man hört Megan Lane zu jeder Zeit die Überzeugung an, die sie in Vortrag und Message ihrer Lyrics steckt.
Und zwischen all den imposanten, kraftstrotzenden Abrissbirnen kann die Kanadierin auch ganz anders. Beim abschließenden "What These Walls Hold" ist plötzlich das ganze Chaos vergessen. All die große Show, das Spektakel rückt in den Hintergrund. Megan Lane konzentriert sich auf das introvertierte, ruhige Ich, zeigt sich verletzlich, statt dominant und selbstbewusst und endet "Sounding The Animal" mit einem totalen Kontrapunkt, der besser nicht aus dem Album führen könnte. Es ist kein Paukenschlag, mit dem dieses Kraftpaket endet, sondern das genaue Gegenteil. Was bleibt, ist die Ehrlichkeit, die Eindringlichkeit.
Sowieso dem Herzstück "Coyote/Wolf", das ebenso wie "What These Walls Hold" in die akustische Kerbe schlägt, mit zunehmender Spielzeit aber immer weiter anschwillt. Die simplen Gitarrenakkorde wirken anfänglich nervös, eine unheimliche Atmosphäre haftet dem Stück an. Im Untergrund brummt lauernd ein Synthie. Dazwischen schieben sich optimistische "Stairway To Heaven"-Arpeggios. Im letzten Drittel kommen zurückhaltende Bläsersounds hinzu, die die zweistimmigen Vocalparts zusätzlich fetten. Ein meisterhaftes Arrangement – je länger man zuhört, desto tiefer saugt es einen hinein.
Wie "Sounding The Animal" als Ganzes. Mit ihrem vierten Album ist Megan Lane ein Stück Musik gelungen, das nicht nur das Zeug hat, unterschiedlichste Arten von Hörern anzusprechen, sondern besonders sie zu berühren. Und das in gleich mehreren Facetten: Es ist völlig egal, ob man das Album mit Hirn oder Körper konsumiert – hHauptsache man tut es.
1 Kommentar
grad mal in "make me an animal " reingehört und eigentlich nicht gedacht, dass mich sowas anspricht.
aber nach ner kurzen phase der verwirrung hats mich dann doch son bissi gepackt.
werd ich mich mal intensiver mit beschäftigen.