laut.de-Kritik
Diesem Komet fehlt der glühende Schweif.
Review von Sven KabelitzDas Spiel hat begonnen. "Friends" eröffnet Meshell Ndegeocellos elftes Album mit einem Paukenschlag. Als Opener zaubert sie einen vortrefflichen Whodini-Track (noch mal: Whodini!!!) aus den unschuldigen Kindertagen des Hip Hop hervor und funktioniert ihn zu einem spannungsgeladenen progressiven Funk mit Flamenco-Gitarre um. Mit seinen wummernden Bässen und dem mechanischem Gesang trägt das kaltblütige Cover die kosmische Seele in sich, die der Album-Titel "Comet, Come To Me" verspricht.
Im Grunde hat mich die Sängerin und Bassistin nun bereits komplett auf ihrer Seite. Zudem erbaute sie sich mit ihren letzten Alben nach ständigen Experimenten zwischen Neo-Soul, Hip Hop, Alternative, R'n'B und Jazz ihre eigene spannende Welt. Mit dem Background und dieser Eröffnung kann im Grunde nichts mehr schief gehen.
Zu früh gefreut. Leider geschieht Ndegeocello genau jetzt das schlimmste, was einem Künstler an diesem Punkt der Karriere widerfahren kann. Sie fühlt sich in ihrer Kunst zu sicher und beginnt im weiteren Verlauf von "Comet, Come To Me" mehr und mehr sich selbst zu wiederholen und zu langweilen. Der so fulminante Einstieg mit "Friends" verdeutlicht nur zu deutlich, was möglich gewesen wäre, aber nicht sein soll.
Wie schon auf "Weather" fallen die Arrangements ausgesprochen minimalistisch aus. Leider vergisst Ndegeocello die sich dadurch öffnenden Räume mit Substanz zu füllen. Als Gegenbeispiel zu "Friends" dient "Folie A Deux". Mit einer ähnlichen Coolness ausgestattet, erhält das Lied zudem mit sumpfigem Vibraphon und summendem Bass eine reizende Klangfarbe. Letztendlich fehlt dem Track aber die Inspiration. "Folie A Deux" klingt schick, verliert sich aber schnell im Nirvana der ungezündeten Ideen.
Am besten funktioniert "Comet, Come To Me" sobald Ndegeocellos Sternschnuppe in "Forget My Name", "Modern Time" und dem Titeltrack die Wege von Dub und Reggae kreuzt. Jedesmal von einer anderen Ausgangsposition ausschwärmend, begeistert vor allem das langsame, mit Soul und einer behäbigen Posaune zersetzte "Forget My Name", das an Lee 'Scratch' Perry erinnert.
Mit "Good Day Bad" gelingt der Singer/Songwriterin ein adrettes Stück Folk. Entfernt man jedoch das Banjo aus dem Kontext, bleibt Ndegeocello austauschbar. Ohne zu schmerzen, zu irritieren, aber eben auch ohne zu fesseln, könnte der austauschbare Song auf jeder ihrer Platten auftauchen. "Shopping For Jazz" führt Folk, Rock und einen kläglichen Rest Jazz zusammen, verliert aber das große Ganze komplett aus den Augen. Viel passiert, doch nichts bleibt.
Nicht immer waren Ndegeocellos Ausflüge durch die Genres von Erfolg gekrönt, doch niemals langweilte sie. Mit "Comet, Come To Me" gelingt ihr dieser zweifelhafte Schritt erstmals. Nur wenige Songs ragen strahlend aus dem einlullenden Gesamtkonstrukt heraus. Meshell Ndegeocellos Komet fehlt der glühende Schweif.
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