laut.de-Kritik
This ain't Disneyland. This is the Bronx.
Review von Dani FrommFragen Sie jemanden, der etwas von der Sache versteht! Wer diesen Rat befolgt, verringert das Risiko, mit einer Unternehmung auf die Nase zu fallen, in aller Regel merklich. Okay, ein gewaltiges Budget schadet ebenfalls nicht. Lässt man sich dann noch viel, viel Zeit, kann eigentlich kaum noch etwas schiefgehen.
Glückwunsch, Netflix, zu "The Get Down". Die ersten Episoden der Serie, die ins New York der ausgehenden 70er führt, geben Anlass zu der Vermutung: Hier haben sehr viele Beteiligte sehr vieles richtig gemacht. Statt "Moulin Rouge" oder "William Shakespeares Romeo + Julia" setzt Baz Luhrmann diesmal die Geburt von Hip Hop in Szene: Dokumentation, Sozialdrama, Blaxploitation, Action, Teenieromanze, Comedy, Musical ... alles drin.
Insbesondere letzteres könnte leicht abschrecken, nur: Eine Serie über Musik dreht sich eben schlecht, so ganz ohne Musik. Es wirkte auch echt blöd, wenn ausgerechnet die Musik, schließlich bloß Dreh- und Angelpunkt des Geschehens, einen peinlich berührt zurücklassen würde. Um diesen Stolperstein zu umgehen, haben sich die Verantwortlichen reichlich musikalische Expertise ins Boot geholt.
Ed Piskors Comics "The Hip Hop Family Tree" lieferten Inspiration. Zu den sachkundigen Ratgebern zählte Musikjournalist Nelson George, der als Zeitzeuge miterlebt und beschrieben hat, wie eine Handvoll Kids in den brennenden Trümmern der South Bronx erfand, was sich längst zur weltweiten Bewegung ausgewachsen und den Mainstream erobert hat.
Die größtenteils blutjungen Darsteller durchliefen eine Art Bootcamp, in dem ihnen diejenigen verklickerten, was damals Sache war, die es am allerbesten wissen müssen: Kurtis Blow, Grandmaster Flash und Nas. Er, ebenfalls an der Produktion der Serie beteiligt, drückt dem Soundtrack seinen Stempel auf: Die Raps, mit denen Protagonist Ezekiel Figuero auf seine und Hip Hops Anfangstage zurückblickt, entstammen seiner Feder. Nas leiht Daveed Diggs, der den erwachsenen Ezekiel spielt, zudem seine Stimme.
Es wäre ein Leichtes gewesen, für "The Get Down" einfach Tracks aus der behandelten Zeit zu kompilieren. Taugliche Soul-, Funk-, Disco- und die allerfrühesten Hip Hop-Nummern bietet diese brodelnde Ära ja wohl im Überfluss. So einfach machen es sich die Zuständigen aber nicht, was dem Score enorm zugute kommt.
Klaro, ohne "Think (About It)" von Lyn Collins gehts nicht. Warum? Reinhören in diesen sprudelnden Quell klassischer Samples beantwortet diese Frage sofort. Wer über die Hoch-Phase von Disco erzählen will, kommt um ihre Königin schlecht herum. Héctor Lavoe bringt puerto-ricanische Melancholie ins Spiel und leidet in "Que Lio", als habe er 1968 schon genau gewusst, welch unerfreuliches Paket ihm das Leben noch schnüren sollte.
Die (wenn überhaupt) höchst behutsam aufpolierten alten Songs von Garland Jeffreys, der Fatback Band oder CJ & Co. stecken allerdings zwischen zahlreichen neuen. Die wiederum treffen den Vibe der End-70er genau, ohne sich auf schnödes Reproduzieren desselben zu beschränken.
"This ain't Disneyland. This is the Bronx", räumt Justice Smith, der den jungen Ezekiel verkörpert, gleich zu Beginn jeden Zweifel aus, ehe Jaden Smith, in der Serie der herzerwärmend verspulte Graffiti-Writer Dizzee Kipling, das Publikum empfängt: "Welcome To The Get Down". Im minimalistisch klackernden Beat lassen sich die Rotorblätter von Hubschraubern und Sirenen erahnen, allerdings so dezent und überlagert von einer wehmütigen Melodie, dass man sich in der nächsten Sekunde schon wieder fragt, ob man sich die nicht lediglich eingebildet hat.
Christina Aguilera plärrt in "Telepathy" etwas zu angestrengt, Janelle Monáe hat offenbar ein bisschen zu ausgiebig "Dirty Diana" gehört. Trotzdem strotzen beide Tracks vor Kraft und Dynamik. Grace steuert mit "Just You, Not Now (Love Theme)" eine dramatische Klavierballade bei. Leon Bridges covert den Temptations-Monsterhit "Ball Of Confusion" in einer Weise theatralisch und bedeutungsschwanger, die sein zartes Alter eigentlich eigentlich gar nicht erlauben dürfte: großes Kino.
"Kipling Theme" bietet mit verspielt perlenden, leise chaotischen Sounds Kamasi Washingtons sanftem Saxophonspiel einen Rahmen. Miguel zelebriert für "Cadillac" gediegenen Retro-Disco-Chic und klingt dabei, wie immer, also wie Prince auf Effekten. Raury assistiert (schon wieder) Jaden Smith in "Losing Your Mind". Auch hier bebt die Disco, allerdings mit eindeutig Dirty South-inspirierten Bässen.
Nile Rodgers steht nicht nur der Aguilera, sondern in "Set Me Free" auch Herizon Guardiola zur Seite, die die weibliche Hauptrolle spielt. Offensichtlich hat nicht nur ihr Serien-Charakter Ambitionen zur Sängerin: Der viele Hall, der in "Be As It May" über ihrer Stimme liegt, muss keineswegs nicht-vorhandene Substanz verschleiern. Bei Partner Justice Smith dagegen scheint es zum Rapper nicht ganz zu reichen: Er beschränkt sich, etwa in "Zeke's Poem (The One)", größtenteils auf rezitative Spoken Word-Geschichten, die er allerdings wiederum irre ausdrucksstark vorträgt.
Die beiden größten Würfe jedoch folgen dem gleichen Rezept: Nimm eine Nummer von Michael Kiwanuka und lass' ihr, obwohl auch pur schon großartig, von Nas Sahnehaube, Kirsche und Schokostreusel aufdekorieren. So bekommt "Black Man In A White World" die "Ghetto Gettysburg Adress" zugewiesen, und "Rule The World", ebenfalls von Kiwanukas umwerfenden Album "Love & Hate", bietet die perfekte Kulisse für den Rückblick "I Came From The City". Wow.
Vollends zum Treffen von Generationen über alle Genreschranken hinweg ruft "You Can't Hide / You Can't Hide From Yourself)": Zayn (!) begegnet und hofiert unter den wachsamen Augen und kundigen Händen von Grandmaster Flash (Ja, fragen Sie jemanden, der etwas von der Sache versteht!) Teddy Pendergrass, bis am Ende niemand mehr so genau weiß, ob hier gerade das Remake die Vorlage von 1977 durch den Wolf gedreht hat, oder ob es nicht doch umgekehrt war. Die Nummer ist, wie der ganze Soundtrack, eine einzige musikalische Wundertüte.
1 Kommentar mit 15 Antworten
Netflix…? Ungehört 1/5, aus Prinzip.
kantig
haha wie kommst du auf so ne scheiß Meinung Oli?
Weil mir Netflix und diese ganzen Serien übertrieben auf den Sack gehen. Daher bekommt ein Soundtrack einer Netflix-Serie ungehört 1/5. Ist doch eine Frage der Ehre!
Nicht wegen Netflix, aber wegen Jaden Smith darf man ruhig 1/5 zücken
das dachte ich auch. aber der spielt da das allerherzigste writerbübchen, ich kann den gar nicht mehr hassen, jetzt.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
jo das mit Jaden lass ich durchgehen. Kenn die Serie jetzt auch gar nicht, aber grundsätzlicher hate gegen Netflix mutet schon bisschen seltsam an.
Aber es ist doch "aus Prinzip"
Naja, Olivander ist halt einer der Übermongos hier im Board, dessen Meinung so wertvoll ist wie ein Haufen Hundescheisse am Straßenrand, sollte ja bekannt sein.
Die Serie ist großartig und man kann vom Scientology-Sproß halten was man will, aber seine Rolle ist absolut grandios. Jeder der die Serie nicht diggelt ist definitiv genrefremd bis zum gehtnichtmehr...nuffsaid.
ich weiss gar nicht, was babyshylock hat die scream-serie war mördergeil, die daredevil folgen mit dem punisher haben gerockt, die punisher serie wird rocken, dieses stranger things ist ganz in ordnung (auch wenn ich damit noch nicht warm werde) ich mochte sogar die sendung mit der borderlinerin und dem typen, der aussah wie ein junger woody allen ("love"?)
netflix regelt schon
Narcos ist tight, House of Cards eh unhatebar...Olivander ist einfach ein HURENSOHN!
... BoJack Horseman, Master of None, ...
Wahrscheinlich sind Serien allgemein nicht so Olivanders Ding, man muss ja beim Drachenlord am Ball bleiben.
olivander weiß seine zeit halt sinnvoll zu nutzen und lungert lieber in zügen rum, um sich beim anblick betagter damen in festtagslaune den riemen blutig zu biegen.
War Olivander jetzt Schwabe oder Schweizer?