laut.de-Kritik
Der Schotte tanzt auf vielen Soundhochzeiten.
Review von Kai ButterweckFünf Jahre lang mussten die Fans von Paolo Nutini auf ein musikalisches Lebenszeichen ihres Helden warten. Nach seinem vorerst letzten Konzert im Jahr 2017 meldete sich der schottische Songwriter vor kurzem mit vier ausverkauften Club-Shows zurück. Mit im Gepäck hatte er an diesen Londoner Abenden auch die Songs seines neuen Studioalbums "Last Night In The Bittersweets".
Auf dem Coverbild seines neuen Werks sieht man Paolo am Keyboard sitzend, umgeben von allerlei Inspirationsquellen. In schummrigem Licht stapeln sich Plattencover und Gitarren, während der Hauptprotagonist, vertieft in die Musik, die Augen schließt. Von überallher scheinen verschiedenste Eindrücke auf den Musiker einzuwirken. Bereits nach wenigen Minuten erschließt sich dem Hörer die Verbindung zwischen dem Cover und der Musik, die dahintersteckt. Facettenreich und frei von jeglichen Genre-Zwängen tanzt Paolo Nutini nahezu im Minutentakt auf einer neuen Soundhochzeit.
Ein psychedelischer Vintage-Groove, garniert mit wehleidigen Jauchzern, die an die besten Jahre von Robert Plant erinnern, machen den Anfang ("Afterneath"). Es folgt balladeske Melancholie ("Radio"), ehe Paolo Nutini im atmosphärischen "Through The Echoes" den Poprock-Prediger aus den Achtzigern mimt.
Im melodischen "Acid Eyes" übernimmt der Bass das Kommando. Der Weg zurück zum Rock gelingt mit verzerrter Stimme, einem kleinen Gospelchor und Erinnerungen an U2 ("Lose It").
Nutinis viertes Studioalbum lässt sich einfach nicht einfangen. Wer auf klare Linien und Strukturen steht, der muss sich beim Hören des Albums des Öfteren kneifen, um nicht die Orientierung zu verlieren. Wer sich hingegen gerne überraschen lässt und von einer sich stetig verändernden Melange aus Pop, Rock, Postrock, Blues, Funk und R'N'B nicht genug bekommen kann, der ist hier genau richtig.
Egal ob als klassischer Singer-Songwriter ("Children Of The Stars"), als Maestro des noisigen Stilllebens ("Heart Filled Up") oder als Verfechter des stadiontauglichen Poprock ("Shine A Light"): Der Schotte, der mit zwei seiner bisherigen Studioalben ("Sunny Side Up", "Caustic Love") von der Spitze der britischen Charts grüßte, tobt sich auch auf der zweiten Albumhälfte in alle Richtungen aus. Am Ende sitzt man als Fan von tiefgehender und sich permanent neu erfindender Crossover-Kunst nur noch mit offenem Mund und gespitzten Ohren vor den Boxen. Applaus, Applaus!
2 Kommentare
Es ist sein viertes Album…
Die erste Platte in diesem Jahr, die mich wirklich vom Hocker reisst. Danke Paolo Nutini.