laut.de-Kritik

Im eigenen Sud köchelt man weich.

Review von

"Dr. Pöbel" ist ja eine nette, wenngleich nicht neue Idee, zumal die Reclam-Hörausgabe ästhetisch sehr erfreut. Die Fallhöhe zwischen Pöbel MC als Asi und Doktorgrad könnte Diskrepanzen in gesellschaftlicher Fehlwahrnehmung aufdecken und ein intellektuelles, realsoziales oder humoristisches Element einbringen. An allen diesen Fronten scheitert Pöbel MC, weil er sich wie Bushido vor Unzeiten mit seinem Abi merklich unwohl fühlt. "Ja, ich hab studiert, doch was hast du dir gedacht?" Ja, was eigentlich? Der MC beantwortet uns diese Frage nicht, es bleibt beim reinen, langweiligen Kokettieren auf dem Opener und "Heliaktion".

Pöbel MCs Hauptproblem, das er sich mit Karate Andi teilt, ist der Fortschritt der Konkurrenz. Ein MC Bomber würde keine einzige Line von "Afterworkrapper" so durchgehen lassen, der "Fickinger" Pöbel bleibt verlässlich blass und ersetzt Ideenreichtum mit Obszönität, weil er seine Texte nur in skinny-dipping-Tiefe privat & relatable werden lässt. "Vielleicht heirat' ich jemand' mit Wikipedia-Eintrag", sein aggressives Keifen gegen Salonlinke; Ansatzpunkte wären da, aber Pöbel mangelt es an Fähigkeiten oder am Willen, seine narrativen Ansätze nach Haus zu bringen.

Punkt zwei: Die unpassenden Beats. Man muss ja nicht gleich einen auf Shacke machen, aber ein wenig mehr als die sanfte, leicht moderne Untermalung der ersten fünf Songs dürfte es schon sein. Oldschool versucht der MC gar nicht, aber für die zurückgenommenen, monotonen Beats wie auf "Lebermord Am Centercourt" fehlt es Pöbel an der Technik, die ein Tom Hengst auffährt, und auch an Stimmgewalt. Über weite Phasen stehen beide, Pöbel und der Beat, ein wenig nackt da. Dagegen kommt seiner Dynamik und listigen Aggressivität das ungleich wuchtigere "Kokainobelix" sehr entgegen. Der Pressetext spricht von zwölf basslastigen Songs, das ist der erste. Wahrscheinlich ist es kontraintuitiv, dem Rapper dominantere Beats zu verpassen, das würde der Typ aber hinbekommen, er braucht sie gar.

Die Strophe von "Grand Wizard Shit" muss man erstmal so hinbekommen, komplizierter als diese Wave-Synth geht ein Beat kaum; leider fährt der Refrain komplett gegen die Wand, sonst ein guter Song. Das Album zieht gleichwohl merklich an: "Kein Berliner" als Appell gegen Lokalpatriotismus passt zum MC, der relaxte, verspielte Beat ergibt mit dem eingängigen Refrain einen mehr als ordentlichen Song. Es benötigt aber schon eine besonders perplexe Promotion, um darauf folgend mit "90s OST" die weinerlichste Plattenbau-Ostalgiehymne seit Testo folgen zu lassen. Ist das nicht genau das provinzielle Gehabe, das er eben noch kritisierte? Der Track kann wenig, Pöbel spricht langsam, als wäre er eben noch hingefallen, und Lines wie "Ja, des Vaters Tränen wiegen schwer" MÜSSEN doch Satire sein. Ich schaute extra das Video an, um sicherzugehen, dass Kalkofe nicht auftaucht.

Im eigenen "Sud" köchelt man halt besonders weich, der Song ist aber okay mit seinen natürlich flowenden Strophen; der Refrain geht dafür ungelenk unter. "Zeitlos" ist auch dieser blutleere Refrain nicht, passt allerdings zu den weinerlichen Strophen, mehr Idee als eine dröhnende Bassfigur steckt hier nicht drin. Richtig, richtig schlecht. Nach zwölf Tracks gehen die Jalousien wieder auf und zu den "Sonnenaugen" gesellen sich rote Öhrchen. Dafür sorgt insbesondere der abartig schwache Abschluss des Albums, und den Refrain vom Closer hätte selbst Sido in seinen schlimmsten Zeiten so nicht gesungen. Mit der Gitarre dahinter äfft Pöbel den deutschen Bronson nach, verkennt aber nach wie vor völlig, was er kann und was nicht. Eine gescheite Veröffentlichung wird dann wohl auf die Habilitation warten müssen.

Trackliste

  1. 1. Doktor P.
  2. 2. Heliaktion
  3. 3. Ruhe & Frieden
  4. 4. Afterworkrapper
  5. 5. Lebermord am Centercourt
  6. 6. Kokainobelix
  7. 7. Grand Wizard Shit
  8. 8. Kein Berliner
  9. 9. 90sOST
  10. 10. Sud
  11. 11. Zeitlos
  12. 12. Sonnenaugen

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7 Kommentare mit 17 Antworten

  • Vor 3 Tagen

    Wirkt mal wieder nach einer Kritik von einem Jonas. Genau die Zielgruppe, die der Pöbel meint.

    Album bisher eins der rundesten von ihm. Bin ganz froh, dass es weniger elektronisch wieder wird.

    • Vor 3 Tagen

      Uhh und gerade 90sOST ist perfekt und geht da tief!

    • Vor 3 Tagen

      Muschbert antwortet Qualle. Its 2009 again ♥

    • Vor 3 Tagen

      Jetzt drückst du auf die Nostalgiedrüse. Ich hol gleich das Taschentuch raus! Wer iz da?

    • Vor 2 Tagen

      Da iz Garret

      Good times :klatbier:

    • Vor 2 Tagen

      Ach Gott, good old classic Garret ist auch noch am Start. Ich grüße Dich.

      Good times und klatbier auf Dich :klatbier:

    • Vor 2 Tagen

      Hätte ja meinen OG Account lieber, doch wurde dieser 2017 infolge eines dummen RL leaks hier meinerseits gegenüber dem lieben lautuser in die ewigen Jagdgründe geschickt. Seitdem sind meine accounts wechselhaft, dieser hier besteht jedoch schon seit immerhin bald 4 Jahren.
      Die laut.bar war die beste Zeit :klatbier:

    • Vor 2 Tagen

      Da hab ich anscheinend ordentlich Drama verpasst. Also alles beim Alten bei Laut. Sage mal, aber den Lautuser gibt's nicht mehr, oder? :D

    • Vor einem Tag

      Nein, der lautuser ist tod wie intro. :(

    • Vor einem Tag

      Er konnte erfolgreich vertrieben werden.

    • Vor einem Tag

      Unkraut vergeht also doch. Wie auch immer ihr das geschafft habt?! Schade um Intro! Wenn ich überlege, dass ich seit 2005 hier angemeldet bin, ist es schön, dass noch ein paar bekannte Gesichter hier sind.

    • Vor einem Tag

      „ Wie auch immer ihr das geschafft habt?!“

      Es waren zunehmenden RL-Leaks, die zunächst dafür sorgten, dass er ziemlich handzahm wurde und sich selbst als progressiver Feminist identifizierte. Dann tauchte ein Fake auf der Bildfläche auf, der dem damals unter dem Namen argemongo agierenden Lautuser schwer zu schaffen machte, dessen Name war argernongo. Im Rahmen des als „Capture the Mongo“ bekanntgewordenen Ereignisses gelang es mir mit Hilfe von ein paar anderen ihn zur Löschung des Accounts argemongo zu bewegen, woraufhin ein kurzes fott4eva folgte. Nach seiner Rückkehr als weinbauMC gab ihm ein Profil namens Dadboarder (benannt nach einer Bezeichnung Souliburns, die ihn sehr erzürnte) den Rest. Parallel dazu gibt es noch eine ähnliche Geschichte aus dem Chat, aber die gehört nicht hierhin.

    • Vor einem Tag

      RL-Leaks. Alter, was geht? Der Abriss dieser Geschichte wirkt, als wenn manche viel zu viel investiert hätten. Habe beim lautuser nie verstanden, warum man sich im Internet die Mühe macht, das Ding so ewig durchzuziehen - á la Ironie/Kunstfigur/aber trotzdem ehrliches durchblitzen lassen... zumindest soweit ich ihn noch so in Erinnerung habe. Und wenn dann noch fiese Klone auftauchen und es eskaliert. Boohh shit. Was ging hier ab...

      Kenn ich Dich auch noch Capslockftw?

    • Vor einem Tag

      "Der Abriss dieser Geschichte wirkt, als wenn manche viel zu viel investiert hätten."

      Das ist sehr nahe an der Wahrheit.^^

    • Vor 23 Stunden

      Ich habe mich für den RL-Leak bereits entschuldigt, auch damals. War dumm von mir gewesen, account Löschung '17 im Nachhinein berechtigt.

    • Vor 23 Stunden

      Dieser Kommentar wurde vor 23 Stunden durch den Autor entfernt.

    • Vor 23 Stunden

      Unvergessen auch das magische Droheck und die 7-day Theory

  • Vor 3 Tagen

    Je öfter ich die Platte hör und dann die Rezi lese, wird mir klar: die Rezi ist Fake! Kann nicht anders sein! Und nächste Woche kommt die richtige...