laut.de-Kritik
Hurra, die Sleep Token-Wannabes sind da!
Review von Yannik GölzEs war nur eine Frage der Zeit, bis wir Sleep Token-Ripoffs bekommen werden. So läuft einfach das Business, da änderst du nichts dran. Aber. So bald? Und so schamlos?
Gestatten: President. Wie der deutsche Rapper ohne das Z. Oder wie der Präsident. President ist eine mysteriöse Band aus dem Britenland, die aus den anonymen Mitgliedern Heist, Vice, Protest und The President besteht. Nach ihrem Debüt beim Download-Festival stehen sie nun bereit, die nächste große, bescheuerte Gimmick-Band zu werden
An dieser Stelle: President ist vielleicht eine gute Chance, ein paar Entschuldigungen an Sleep Token loszuwerden. Die gerade dominierende Metalband steht an diesem seltsamen Punkt, dass diejenigen, die sie gut finden, sie lächerlich viel zu gut finden. Und diejenigen, die sie hassen, wahrscheinlich ein bisschen übertreiben. Das Ding an Sleep Token ist, dass sie ziemlich albern und corny mit ihrer komischen Geheimnistuerei daherkommen. Die Größe ihrer Töne ist öfter mal unproportional zur tatsächlichen Tiefe der Musik. Aber: Sagt, was ihr wollt – Sleep Token sind immerhin kreativ. Auf ihren Alben passiert einiges, sie haben Hooks, sie haben Ideen.
President dagegen ist zu 100 Prozent Bullshit. Ihre erste EP klingt, als müsse man nach dem gelungenen Branding jetzt irgendwie noch Musik hinterherliefern. Also spielt ein Haufen kompetenter Sessionmusiker in dusseligen Kostümen einmal den pflichtschuldigen, generischen Alternative Metal runter, den die Kids so mögen.
Also der, der wie dieses eine Bring Me The Horizon-Album die elektronischen Elemente nutzt und wie Sleep Token relativ viel variiert. Es ist kompetent, aber man merkt, dass es niemandes Passion Project ist. Die Musik klingt so generisch, dass die überkandidelte Kulisse nur noch bescheuerter aussieht.
In diesem Sinne, fragen wir mal nach dem Elefanten im Raum: Was zum Teufel soll überhaupt das Konzept dieser Gruppe sein? Sie nennen sich Präsident. Dazu sind sie verkleidet, als würden sie zum "The Purge"-Universum gehören. Ihr wisst schon, dieses sehr popcornige Horror-Franchise, das immerhin einen ganz soliden ersten Teil hergegeben hat. Das ist in etwa das Level. Shit, den man mit 16 intensiv und gruselig finden kann. Passend dazu sehen sie mit ihren bescheuerten Masken wie die Protagonisten aus einem Creepypasta oder einem 2008-Skype-Kettenbrief aus.
Natürlich wäre die Implikation mit Präsident und Purge jetzt, dass das alles einen politischen Unterton hat. Ein bisschen Horror, ein bisschen politisch. Scheiße, einer von denen hat sich immerhin 'Protest' genannt. Es gibt ja moderne Metalbands, die aus dieser Kombi wirklich inspiriertes Material gemacht haben. Oder? Denkste! Tatsächlich geht es auf "King Of Terrors" um den christlichen Glauben. Keine Sorge, President sind nicht per se eine christliche Band, aber die ganze EP scheint die Geschichte von einem Kerl zu erzählen, der sich vom Glauben abwendet, weil die Kirche ihm wohl durch die Bank übel mitgespielt hat.
Das ist kein schlechtes Konzept, um Musik zu schreiben. Klar, es ist wirklich mittelmäßig umgesetzt, aber schon mal besser als nichts. Intro und Leadsingle "In The Name Of The Father" werden mehr oder weniger konkret: Der titelgebende "King Of Terrors" ist ein strafender Gott, dessen Präsenz dem Protagonisten in die Rübe gerammt wurde. Der Song beschreibt all die Widersprüche und all den Stress, ein solch eingebläutes Weltbild zu überwinden.
Wie gesagt: Kann man überhaupt nichts gegen sagen. Der Text ist okay. Trotzdem übernimmt sich das Gesamtkunstwerk deutlich. Nicht nur ist das gegen Ende flüsternde Horrorkind wirklich zu viel, auch dieser Einsprecher lässt die Augen rollen. Checkt diese Überbombe: Könnte es Gott gar nicht geben? Ist das Leben vielleicht gar sinnlos? Unglaublich, dass President diesen bahnbrechenden Gedanken als Erste haben. Hoffentlich wird sie die Inquisition nicht ergreifen.
President finden die ganze EP über weder Bilder noch durchdachtes Storytelling, um dieses Grundkonzept wirklich zu verkaufen. Die meiste Zeit suhlt sich unser Protagonist, ... The President, in vagem, gefühligen Selbstmitleid. Man könnte die Tracks absolut mit wehleidigem Beziehungsgeheule verwechseln, das ab und an mal einen biblischen Verweis kickt. Aber außer ein zehnfach durchdekliniertes 'Mir geht es richtig schlecht' ist da nichts zu holen.
Es findet sich nichts Konzeptuelles, nichts, das die angelegten Motive irgendwie entwickeln oder vertiefen würde. Da ist nur ein offensichtlich etwas lebenskriselnder Metalcore-Atze, der "get me out of this hell" schreit. Und dergleichen machen leider Gottes alle Metalcore-Atzen. Wenn Texte ein Alleinstellungsmerkmal sein sollen, hätte man deutlich mehr tun müssen. Denn achtet man nicht darauf, dass es tatsächlich ein übergeordnetes Thema gibt, fliegen die Lyrics wie x-beliebige Angstboy-Zeilen an einem vorbei
Gerade die Nummern gegen Ende werden in ihrem Worldbuilding zunehmend diffuser. "Dionysus" ist ein seltsam konzipierter Song, der den griechischen Gott des Rauschs und der Ekstase für einen bitteren, rauschlosen und unekstatischen Track nutzt. Dabei wird nicht mal richtig deutlich, was Dionysos mit dem Gottesleiden von El Presidente zu schaffen hat. Das ist eh ein bleibender Eindruck: President sind immer schnell mit der Hand, von Löwen und Greifen zu schwadronieren. Wenn es dann darum geht, mit all den großen Worten und all dem Pathos wirklich umgehen zu können, wird nicht viel daraus.
All diese Tracks geben mir das feste Gefühl, dass die Band keinem Nachhaken standhalten könnte, um was es in diesen Tracks eigentlich geht. Und das liegt bestimmt nicht daran, weil sie so komplex und ambig wären. Es liegt eher daran, dass die sehr mageren Songideen und Gedanken mit ein paar ornamentalen großen Begriffen davon ablenken wollen, wie substanzlos und dünn das alles ist.
Ähnlich geht es musikalisch zu. Genau wie die Vorbilder Sleep Token passiert hier objektiv erst einmal eine ganze Menge. Das Spiel zwischen lauten und ruhigen Passagen ist das Mojo, immer wieder brechen rauschende Metal-Passagen in reduzierte Electronica ein. Dabei gibt es nur ein Problem: Absolut nichts davon ist catchy. Im letzten Drittel von "Destroy Me" gibt es mal eine fünfzehnsekündige Passage, in der die Band wirklich mal ein gutes Riff ausschlachten kann.
Das macht durchaus Spaß. Den direkten Kontrast im Sinne zeigt es aber leider nur um so mehr, wie wenig Spaß der Rest der EP macht. Ja, es bewegt sich viel. Aber das ganze Hin und Her zwischen rhythmisch uninteressanten Post-Hardcore-Generika und seltsamem Whiteboy-R'n'B hilft nicht, wenn weder eine noch der andere Part funktionieren. Es fühlt sich an, als würde einfach nur viel Zeugs an die Wand geworfen werden, um ein bisschen zu kaschieren, dass da eigentlich keine richtig musikalische Idee im Spiel ist.
Und damit zurück zur entscheidenden Frage. Was soll das alles? President ergeben einen Haufen dysfunktionaler Einzelelemente. Aber das Scheitern des Ganzen ist noch mal größer als die Summe des Scheiterns der Teile. Da sind also diese Typen, die musikalisch abgedroschen klingen wie zehn Jahre über ihrem Zenit spielende Industriesoldaten. Sie sind alle in alberne "The Purge"-Politikerkostüme gekleidet. Während sie lieblos alternativen Metal mit ganz viel Synthesizer spielen, lamentiert jemand, der "The President" heißt, dass er nicht mehr an Gott glauben kann. Wo findet all das zusammen? Was war hier das Konzept?
Die Antwort ist: Es gibt keines. Irgendein Typ auf irgendeinem Metal-Label hat bemerkt, dass Bands wie Ghost oder Sleep Token mit einem mysteriösen Gimmick gerade gut abräumen. Also hat er sich auch eines ausgedacht. Heißt konkret: Kostüme und bescheuerte Namen für die Mitglieder. Aber jenseits des optischen Brandings ist einfach mal gar nichts passiert.
Wenn schon Gimmick, dann sollte man gefälligst auch hart damit gehen, oder nicht?! Macht euch alle Verkleidungen, aber dann baut euch auch eine bescheuerte Welt drumherum. Ich will Lore, ich will einzigartige Motive, ich will Sachen, die zu 100 Prozent eure sind. Dann wäre das zwar immer noch bescheuert, aber auf einer Fantastik-Ebene immerhin interessant. Wer mag nicht ein dummes, kleines Universum, das erlaubt so richtig in solides Popcornkino einzutauchen?
President geben mit ihrer ersten EP "King Of Terror" dazu keinerlei Anlass. Die Songs klingen, als würde jemand musikalische Resteverwertung von einem ganz anderen Projekt betreiben. Es sind inkohärent aneinander gematschte Trends in der Hoffnung, dass man mit genug Branding und optischem Wiedererkennungswert schon ein bisschen Hype generieren wird. Aber sorry, Jungs, die Nad Flanders-Metalband ist auch gescheitert.
5 Kommentare mit 6 Antworten
Angeblich steckt der Typ von Busted dahinter bzw. ist der Frontmann. Und das macht es nicht nur deutlich witziger, sondern erklärt auch alles.
Naja, ist halt kein K-Pop
Die letzte Sleep Token war im Nachgang auch nix großes, um da immer die großen Referenzen herzubeschwören und maskierte Sänger gabs weit vor ihnen
Ich konnte Even in Arcadia nicht allzu viel abgewinnen, aber kommerziell war es dieses Jahr im Rock/Metal schon das große Ding. Der Sleep Token-Einfluss ist hier deutlich spürbar, was man auch an den Reaktionen der Fans seit der 1. Single erkennen konnte.
Der Hype war da bei Release, seitdem hört man doch außerhalb der bubble nichts mehr und sicherlich redet da in Zukunft niemand mehr darüber, außer es in Retrospektiven als experimentelles Album zu erwähnen, das letztlich zu verkopft und gewollt klang. Paar Songs daraus find ich aber gut und generell ist dies jetzt keine Abrechnung mit ST. Nur klang ein "Name of the Father" jetzt nicht wie eine Token Kopie, sondern eher nach SiriusXM Octane Ziel mit Gimmick und einem größeren Schuss Fightstar, was auch zu Sänger Charlie Simpson passt.
Der obige Busted Verweis ist musikalisch aber auch trotz ihm irrelevant
Wenn jemand in seiner Karriere gleich zweimal in Bands präsent ist, die ziemlich eindeutig kommerziellen Trends folgen und offenbar nur zu diesem Zweck gegründet wurden, sehe ich da schon Erklärkraft für den seelenlos zusammengeschusterten Sound. Bin da durchaus beim Rezensenten.
Ich glaube, dass der Rezensent hier grundsätzlich der Falsche ist. Weder als Bashing, noch als Albenverteidigung. Ich halte ynk an anderer Stelle für besser geeignet
Auftritt ist jetzt schon legendär:
https://www.youtube.com/watch?v=_mNC8cTglmg
Rezensent hat weder Ahnung noch Liebe für Metal. President agieren am Puls der Zeit und sind beileibe kein Abklatsch von Sleep Token, die ich auch geil finde. Metal entwickelt sich weiter, wem das nicht gefällt, der bitte zurück in seine Gruft und vergesst eure Kutte nicht.
"Wie der deutsche Rapper ohne das Z. "
Preident?
Weiss ja nicht. Das Konzept mit anonymen Musikern, die sich für irgendwas ausgeben, scheint zur Zeit recht erfolgreich zu sein. Sleep Token und natürlich Ghost. Keine Ahnung, ob es da noch jemanden braucht. Zumal die Musik wirklich nicht gerade vor Originalität trieft... Naja, Lebbe und lebbe lasse...
Aber: Stell dir vor es wäre President und jeder geht hin. Man kann sich ja mal überraschen lassen, irgendetwas wird sich irgendwer schon dabei gedacht haben. Tatsächlich sind all die Neugierigen, die dem Unbekannten eine Chance geben, dann Teil einer denkwürdigen Performance einer maskierten Band, die ihren Einstand feiert.
Seht, es ist m.nieswand74 mit seinem sidekick w.hustdach85!