laut.de-Kritik

Ein paar der klarsten Club-Rap-Treffer seiner Karriere.

Review von

Man kann ihm ja vorwerfen was man will, aber RAF Camora bleibt ein produktiver Mann. Kein Jahr nach der Rentenankündigung halten wir nun schon das zweite neue Album in der Hand, das Profit aus dem ... Comeback schlagen will – und nach dem uninspirierten Vorgänger sind die Erwartungen an "Zukunft 2" ehrlicherweise nicht galaktisch hoch. Aber irgendwie muss ihn doch noch mal die Motivation gepackt haben: Die bockstarke Leadsingle "2CB" hat es angedeutet, "Zukunft 2" könnte sein bestes Projekt seit "Palmen Aus Plastik" werden. Ein paar lieblose Formelhits halten es zwar zurück, aber die klare Konzentration auf schamlos effektiven Club-Rap und die angenehm kurzweilige Laufzeit zahlen sich aus.

Wie so oft lohnt es sich zu fragen, was eigentlich das Best-Case-Szenario für ein RAF-Projekt wäre. Für mich persönlich beinhaltet dies das Eingeständnis, dass ich seiner Zielgruppe nicht ferner sein könnte und dementsprechend mit früheren Tapes tendenziell eher eine schwerere Zeit hatte. Der Mann macht ja schon eine Weile relativ plumpen Clubshow-Rap, auf den er die oberflächlichste Lackschickt Pathos und Mystik schmiert. Klar, das war immer schon Musik für Wettbüros, aber mit ein paar ominösen Begriffen fürs Marketing hatte es gleich das Antlitz von bedeutungsschwerer Kunst. Da verlor der Rabenmann mit den Bumsbeats mich dann regelmäßig.

"Zukunft 2" macht diesen Blödsinn gar nicht erst mit. Dieses Tape macht Club-Rap mit Versatzstücken aus Trap, House und Eurodance und geniert sich kein bisschen. "Blaues Licht" mit Bonez MC zum Beispiel samplet "Blue (Da Bu Di)" für den Refrain. Das ist eine schamlose Entscheidung. Aber mal ehrlich? Sie funktioniert. Warum auch nicht? Wenn danach die Rummelbumsdisco-Produktion einsetzt, klingt das, als hätte jemand Finch Asozial für die 187 Straßenbande umproduziert. Es macht auf unzeremonielle Art und Weise Spaß.

Ähnliches gilt für das bockstarke Luciano-Feature "2CB". Hier interpoliert man "Children" von Robert Miles, ein Trance-Klassiker, der vor einer Weile schon in Tygas "Stimulated" geflippt wurde. RAF geht all-in auf den elektronischen Sound und die pulsierende Bassline funktioniert gnadenlos. Das tiefe Stimmduett zwischen Luciano und ihm macht ebenfalls eine gute Figur, beide klingen clean und konzentriert, die Hook trifft genau den richtigen Nerv. Ddieser ganze Song reitet auf einem großartigen Vibe und verliert keine Sekunde Momentum. Es könnte einer von RAFs besten überhaupt sein.

Andere Features laufen ebenfalls solide: Das französische Cloud Rap-Duo TripleGo lockert den sonst eher austauschbare Dancehall-Jam "Appartement" mit farbenfroher Persönlichkeit auf. "Verbrannt" geht ohnehin schon mit einem soliden Tempo gut nach vorne, und RAF gibt eine starke Hook vor, aber Newcomer Subasa nutzt die Platzierung mit einem Killer-Verse aus, der wirklich Hunger demonstriert. Auf "Alles Zu Seiner Zeit" und dem überraschend süßen Lovesong "Guapa" macht RAF dann aber auch alleine eingängige Nummern. Lines wie "Mit dir lieb ich sogar S-Bahn-Fahren" machen willkommene Abwechslung zum sonst recht monotonen Männlichkeits-Quark der Platte.

Über den muss man drüberhören können, wenn man dieses Album vollumfänglich genießen will. Nicht, weil es außergewöhnlich problematisch wäre, es wird nur schnell anstrengend, wenn dieser auf die 40 zugehende Mann mit Familie rappt, als wäre er ein 18-jähriger Dorfpumper in Mallorca. Das Gepose, die Art über Frauen zu sprechen, die Horny-Jams wirken ein bisschen arg ungefiltert. Vor allem dann, wenn er zwei Lines später wieder auf reflektierten Boss machen will. Stressig wird das auf Songs wie "Über Nacht", in dem er seine tiefe Stimme mächtig ausspielt, aber dann ziemlich belangloses Zeug erzählt und die Aura seiner Stimme schräg mit dem Keinen-Bock-Text clasht. "Ahh, schau mich an, mir geht's top / Sag, was' der Plan? Mir egal, ich hab' Bock / Alles neu, neuer Wagen, neue Glock / Neues Apartment ganz oben am Block, ja", rappt er da. Bars.

Die richtigen Tiefflieger heißen "Schwarzer Jaguar" und "Wenn Du Mich Siehst". Ersterer vertont das Fahrzeug, indem er eine unglaublich seltsame Autotune-Hook singt, die wie das auditive Äquivalent von Fahrzeugübelkeit klingt, gefolgt von seinem Signing Gallo Nero, der seine beste Imitation von allem macht, was auch Ufo361 oft super-nervig klingen lässt. Trotzdem ist das besser als das wahrlich lieblose Juju-Feature "Wenn Du Mich Siehst", ein so zynisch kalkulierter Lovesong, dass ein Bozza-Cowriting und eine Pietro Lombardi-Hook wunderbar ins Bild gepasst hätten. Wer will einen reumütigen RAF und eine humorlose Juju auf dem langweiligsten Emo-Beat der Welt hören? Hier hat die Hit-Formel wirklich versagt.

Trotz ein paar Songs, die danebengehen, macht "Zukunft 2" doch eines sehr richtig: Im Gegensatz zum handelsüblichen RAF-Album, das mit einer guten Quote an Fehlschüssen und wahllosem Fluff erscheint, ist das hier konzentriert und aufs Wesentliche reduziert. RAF liefert ein kurzweiliges Club-Rap-Projekt, das tempomäßig nach vorne geht, jeder Song auf seine funktional nötige Dauer reduziert und zwischendurch ein paar der klarsten Treffer seiner Karriere landet. Wie gesagt – ich fühle mich der Zielgruppe seiner Musik nicht nahe und bin sonst vermutlich auch ein bisschen voreingenommen, aber sollte es mich unerklärlicherweise einmal auf eine der Partys verschlagen, auf denen RAF so rumhängt, dann hätte ich mit diesen Songs definitiv kein Problem.

Trackliste

  1. 1. Alles Zu Seiner Zeit
  2. 2. DNA
  3. 3. Blaues Licht (feat. Bonez MC)
  4. 4. Wenn Du Mich Siehst (feat. Juju)
  5. 5. Verbrannt (feat. Subasa)
  6. 6. Appartement (feat. TripleGo)
  7. 7. 2CB (feat. Luciano)
  8. 8. Guapa
  9. 9. Schwarzer Jaguar (feat. Gallo Nero)
  10. 10. Über Nacht

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