laut.de-Kritik

Kompetent produzierter Wahnwitz.

Review von

"Vergossenes Blut Trocknet Nie" – was für ein imposanter Titel. Ramos Debütalbum verspricht großes Drama zwischen Schuld und Sühne. Den theatralischen Auftritt beherrscht seit jeher auch sein Labelboss Massiv. Tatsächlich hat er die große Geste bitter nötig, denn nach den Vorschusslorbeeren von Azad, Sido und Bushido scheint der junge Rapper den Zeitpunkt für sein Debütalbum ein wenig verpasst zu haben. Zwar fallen die Aufrufzahlen seiner Videos noch stabil aus, doch ins Zentrum der szeneinternen Aufmerksamkeit rückten längst andere Protagonisten.

Mangelnden Einsatz kann man dem Rapper nicht vorwerfen. Nach dem antiquierten Spieluhr-Einstieg im "Intro" steigt er gleich mit vollem Eifer ein. Sein koddriges Mundwerk erinnert dabei nach wie vor an den Offenbacher Übervater Haftbefehl, ohne in dessen depressive Tiefen abzutauchen. Eine Combo des Aberwitzes ergibt sich, wenn Hemso in "Champions League" dazu stößt, der nach seinem Einsatz auf "New Wave" "über 20 Jahre Brüderschaft auf einem Track" zelebriert. Doch auch ohne Schützenhilfe holt Ramo etwa für das manische "Frank Lucas" alles aus sich heraus.

Als Enttäuschung erweist sich Joker Bra, der "Frank Lucas" seines Wahnsinns und Tempos beraubt, um sich ausgiebig selbst zu beweihräuchern. "Ich bin ein Vorbild für die Kids und ich bin die Messlatte für Hits", freut sich der Deutschrap-Bestseller: "Die Zahlen auf mei'm Vertrag hat nicht mal Rammstein gesehen." Der ebenfalls irritierend erfolgreiche Bonez MC unterbietet das Niveau noch, wenn er kleingeistige Zeilen in das flirrende Instrumental von "Kaktus" setzt: "Langsam wird's eng für deine Mädchengang. Ihr seid so anders und so ekelig, ey, ich schäm' mich fremd."

Mit einer einwandfreien Leistung warten die Mitspieler außerhalb der Booth auf. Tengobeatz, DJ Desue, Freshmaker, Yung Beatz, Killa M, Franke One und eine Reihe weiterer Beatbastler halten mit ihren effektvollen Produktionen mit dem Wahnwitz des Rapper Schritt. Sie untermalen das Leben einer "Gangsterrapikone" mit nahöstlichem Touch oder begleiten den reflektierenden "Wolf" mit der Akustikgitarre. Als erfreulich gut gelaunter Representer überzeugt zudem "Omar", für den sie "Love Come Down" der Disco-Sängerin Evelyn 'Champagne' King samplen.

Auch der nicht besonders originell benannte Song "Offenes Verdeck" hebt die Gemütslage spürbar. Zwar hat auch dieses Instrumental Spieldosen-Charakter, doch steigert es sich in eine erhaben, siegesgewisse Stimmung hinein, die den passenden Kontrast zu Ramos deftigem Vortrag bildet. Einzig "Strawberry Yumyum" verliert sich in belangloser Trap-Monotonie. Zudem wirken die Stücke etwas fehl am Platz, die ernstere Töne anschlagen wie "Glut Auf Meiner Haut" und "Vergossenes Blut Trocknet Nie", dessen versprochene Dramatik zu Sinnsprüchen auf Kalenderniveau schrumpfen.

Nach seinem noch nicht als vollwertiges Album vermarkteten Langspieler "Digital Kokain" bleibt von "Vergossenes Blut Trocknet Nie" leider kein wirklich brauchbares Zitat zurück. Dafür überzeugt vor allem die kompetente Produktion. Während sowohl talentierte Rapper wie Kalim als auch minderbegabte Akteure wie Majoe ihren Stil zugunsten eines Trends aufgeben, ist es wohltuend zu sehen, dass sich Ramo noch ganz dem Dreck verschreibt. Dennoch gilt die Kreuzung aus Massiv und Haftbefehl noch nicht als vollwertige künstlerische Identität.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Frank Lucas (mit Joker Bra)
  3. 3. Louis & Dior
  4. 4. Gangsterrapikone
  5. 5. Kaktus (mit Bonez MC)
  6. 6. Vergossenes Blut Trocknet Nie
  7. 7. Hauptschule
  8. 8. Qualität'er (mit Massiv)
  9. 9. Glut Auf Meiner Haut
  10. 10. Ya Oumri (mit Manuellsen)
  11. 11. Offenes Verdeck
  12. 12. Wolf
  13. 13. Champions League (mit Hemso)
  14. 14. Strawberry Yumyum
  15. 15. Bang Bang
  16. 16. Omar
  17. 17. Zucker (mit Manuellsen)
  18. 18. Was Weisst Du Von

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