laut.de-Kritik
Die Jazz-Polizei dürfte hier überrascht aufhorchen.
Review von Artur SchulzEs nagte schon am Selbstverständnis Roger Ciceros, von echten wie selbsternannten Jazz-Experten nicht richtig ernst genommen zu werden. Zwar wurde er nie müde, auf seine Roots hinzuweisen. Doch wer sich trotz aller Qualitäten vornehmlich im Pop tummelt, findet vor den Augen der Jazz-Polizei keine Gnade. Derlei Bedenkenträger dürfte "The Roger Cicero Jazz Experience" überraschen.
Reduziert, mit klassischer Besetzung (Matthias Meusel/Schlagzeug, Maik Schott/Keyboards, Hervé Jeanne/Kontrabass), präsentiert Cicero einen Mix persönlicher Favoriten des Genres. Gleich "No Moon At All" erfüllt seine Opener-Aufgabe mit lässigem Swing. James Taylors untadeliges "Shower The People" besticht dann in der vorliegenden Interpretation durch elegant hingetupfte Nonchalance und ausgefeilte Intrumentalpassagen. "Ocean Ways" erzeugt aus Piano und Kontrabass eine einnehmende Stimmung. Das unkaputtbare "Moody's Mood" liegt zwar bereits in Versionen von George Benson und Aretha Franklin vor, Cicero macht aber einfach sein eigenes Ding und vor allem: Eine gute Figur.
Sauber inszenierter, klassischer Jazz klingt oft wie ein erfrischender Jungbrunnen, vital und resistent gegen Moden und Zeitströmungen. Bereits seit rund zwei Jahren sind Cicero und seine Mitstreiter mit ihrem Programm live unterwegs. Abseits der Arenen, dafür in den kleinen Clubs, und mit viel Zuspruch seitens des Publikums.
Ihr Meisterstück gelingt ihnen mit einer fesselnden Adaption des Paul Simon-Hits "50 Ways To Leave Your Lover". Wie hier Pop in lupenreinen Jazz umgewandelt wird, ist schlicht beeindruckend. Umgekrempelt und mit völlig neuen Ansätzen versehen - Spannung pur. Die Idee, die höchst eingängige Hookline umzustrukturieren und rhythmisch aufwertend in einen neuen Kontext zu setzen, erweist sich als geglückter Kunstgriff.
Daran reicht die Neufassung von "The Long And Winding Road" (Beatles) zwar nicht heran, doch ihre Klasse beweisen die vier Musiker später erneut mit einer vermeintlich totgenudelten Nummer: Tom Waits' "Tom Traubert's Blues" erfährt in den Händen der Jazz Experience eine willkommene Blutauffrischung. Ciceros unbekümmerte Herangehensweise entlockt der Nummer eine Menge frischer Akzente, und führt die melancholische Grundstimmung in bislang unentdeckte Winkel und Nischen.
"Benny's From Heaven", die charmante Verballhornung des berühmten "Pennies From Heaven", verbreitet mit seinem heiter in Szene gesetzten Swing einfach nur gute Laune. Ciceros Stimme interpretiert flexibel; mal nasal, mal warm, auch mal jazzgerecht schief nölend. Nick Drakes famoses "From The Morning" wandert effektvoll zwischen Rogers beseelter Intonation, den Kontrabass-Passagen Hervé Jeannes und Maik Schotts einfühlsamem Piano umher. Roger Cicero und seinen vorzüglichen Mitstreitern ist der Spaß an der Sache hier ausgiebig anzumerken.
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