laut.de-Kritik
Aloe Blacc, tiefenentspannt zwischen Blues, Chanson und Soul.
Review von Sven KabelitzAuch wenn uns gewiefte Werbefachleute etwas anderes weismachen wollen: Den kreativen Mittelpunkt von Roseaux stellt keineswegs Aloe Blacc, sondern viel mehr der Pariser Radioproduzent und DJ Emile Omar dar.
Dieser scharte 2008 mit dem Cellisten Clément Petit und dem Multiinstrumentalisten Alex Finkin weitere Fachleute um sich. Erst später stößt der damals noch weitgehend unbekannte Rapper Aloe Blacc zu Roseaux und findet in diesem Rahmen seinen Weg zum Soul.
Bereits vor Jahren aufgenommen, bildet das nun erscheinende Debüt mit seinen zehn handverlesenen Neuinterpretationen zwischen Blues, Folk, Chanson, Soul und Jazz die Vorstufe zu seinem späteren Erfolg mit "Good Things".
Grundsätzlich kann man mit dieser Besetzung nur wenig falsch machen. Blacc gibt ausgesprochen unaufgeregt und souverän den Crooner, während Omars Freunde ihm mal neckisch, mal ergreifend den Rücken frei halten. Der unkaputtbare The Police-Klassiker "Walking On The Moon" funktioniert auch hier, mit Violoncello, Piano und gespenstischer Posaune, exzellent.
Der Einstieg mit dem Bossa Nova "Strange Things", im Original ein John Holt-Reggae, gelingt sinnlich und bemerkenswert. Doch das wahre Highlight steckt in "We All Must Live Together". Ein einziges Mal brechen Roseaux aus ihrem eigenhändig geschnürten Korsett aus. Schwirrende Gitarren, ein funkender Bass und ein um sich kreiselndes Schlagzeug: Mehr braucht es nicht für eine ordentliche Portion Groove.
Doch spätestens "More Than Material" bringt das Problem bei "Roseaux" zum Vorschein und auf den Punkt. Trotz spannend eingesetztem Balafon erhält dieser Patti Labelle-Song seine anfängliche Dringlichkeit nicht über die gesamten vier Minuten aufrecht. Zieht der Track zu Beginn noch die Aufmerksamkeit auf sich, treten mit zunehmender Spieldauer andere Kleinigkeiten und Luftschlösser in den Vordergrund. Meine Gedanken sind frei, sie fliehen vorbei.
"If You Don't Love Me" von D.J. Rogers und das Esther Phillips-Cover "Try Me" mit seinem aufrichtigem Flöten-Arrangement mögen für sich gesehen kleine Perlen sein, doch in der Gemeinschaft mit dem zunehmend tiefenentspannten Ambiente schleicht sich Monotonie ein. Lehnt man sich zu tief in seiner Klappliege zurück, kippt man um und liegt perplex und aus allen Träumen gerissen im Sand.
Schlussendlich bleibe ich immer wieder an "Indifference", dem Stolperstein von "Roseaux", hängen. Im Herzen noch zu sehr Grunger der alten Schule, kann ich diesem zuckersüßen und unter rührseligen Streichern begrabenen Pearl Jam-Cover rein gar nichts abgewinnen.
"Roseaux" entspannt, glitscht jedoch auch wie ein Aal durch die Finger. Um wirklich im Langzeitgedächtnis zu verweilen, hätte ein wenig mehr Tiefe dem Unterfangen nicht geschadet. Letztendlich bleibt es ein Projekt, mit dem Omar, Blacc und Freunde nur ein wenig spielen und bloß niemandem wehtun möchten. So überwiegt über weite Strecken der Eindruck netter Hintergrundmusik im Kaffeehaus mit der grünen Sirene. Noch einen letzter Mocha Light Frapuccino, Mund abwischen und zurück in den Alltag.
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