laut.de-Kritik
Eine Stimme, geschmeidig wie ein samtgestiefeltes Kätzchen.
Review von Josef GasteigerDie hingebungsvolle Rückkehr zu den musikalischen Prinzipien früherer Jahre wirbelte in der letzten Dekade ordentlich viel Staub auf. Im Fach "weiblich/stimmgewaltig/englisch" tummeln sich seither nicht zu Unrecht Amy, Duffy und Adele. Obwohl man Rumer zweifellos denselben Stempel aufdrücken kann, verbirgt sich musikalisch hinter "Seasons Of My Soul" dennoch etwas ganz anderes.
Hat das oben erwähnte Dreigestirn vor allem den Retrogroove der Motown-Drummer als solides Fundament ihrer Musik auserwählt, kommen die Songs von Rumer größtenteils ohne zwingend tanzbare Beats aus. Lockere Jazz-Untermalung statt funkiger Bass, orchestraler Pop statt Arschwackel-Rhythmen. Hier geht man die ganze Sache ruhig an, um vor allem den Vocals und den wunderschönen Geschichten das Feld zu ebnen. Und um bewusst jeder Gier nach Tempo und akustischer Wegwerfware von vornherein einen Riegel vorzuschieben. So zwingt uns Rumer, wieder richtig hinzuhören.
Am schwungvollsten schnippt noch der Opener "Am I Forgiven?" daher, der vielleicht als einziger Song näher an Tambourine getränkter Upbeat-Stimmung dran ist. Denn sonst ist der Blues in Rumers Leben kein seltener Gast. Die 31-Jährige kämpfte lange um ihre Musikkarriere, familiäre Rückschläge gruben tiefe Trauerfalten in ihre Seele, die sich auch in ihren Songs widerspiegelt. Die sparsame Instrumentierung schwankt zwischen kühlem Jazztrio mit Klavier, Kontrabass und Percussion und orchestraler Begleitung mit Streichern und Glockenspiel, die immer im richtigen Moment dem Grundgerüst unter die Arme greift. ("Take Me As I Am")
Hauptdarsteller ist aber klarerweise Rumers Stimme. Dabei kann man den unsäglichen Begriff der "Soul-Röhre" eigentlich nicht auf die Sängerin anwenden. Stimmfarblich angesiedelt zwischen Dusty Springfield, Norah Jones und Karen Carpenter findet man kein bisschen Heiserkeit oder leichtes Raspeln in ihrem Vortrag. Zuerst lässt sich die Einzigartigkeit ihres Gesanges kaum herausheben, doch nach einiger Zeit bindet gerade das Ausbleiben etwaiger Ecken und Kanten den Hörer an Rumer.
Geschmeidig wie ein samtgestiefeltes Kätzchen fließt ihre Stimme über die Arrangements, zaubert Harmonien und Kontra-Melodien hervor, die die Zeiten der glitzernden Soul-Sängerinnen wieder auferstehen lässt. Jedes Flüstern will gehört werden, jede klitzekleine Variation im zweiten Chorus sorgt für leise Momente der Freude.
Die sanften Vocals bergen eine sehr intime innere Verletzlichkeit, die zeitweise wie erstmalige Geständnisse von Liebe und Leidenschaft wirken. Ihr gebeuteltes Herz trägt Rumer stets auf der klar und deutlichen Zunge. "I've been running out of coffee conversation", so heißt es demnach auch erklärend im aufmunternden "Saving Grace", das einen charmanten Befreiungsschlag im höheren Stimmregister bereit hält. Das funktioniert auch im Chorus von "Aretha", einem demütigen Soul-Zeugnis über die Ersatzfunktion von Musik und gleichzeitig Highlight des Albums.
Genauso vereinnahmen die gehauchte Traurigkeit eines "Thankful", die erzwungene Zurückhaltung von "Slow" und der mehrstimmige Gospel vom großartigen "Healer". Die unterschiedlichen Spielarten des Soul und Jazz sorgen dafür, dass sich auf elf Songs niemals Langeweile breit macht, sofern man bereit ist, sich in einem bedächtigen Moment mit Rotwein bei wahlweise Sonnenauf- oder -untergang auf das Album einzulassen.
"Die Kunst des Zuhörens geht verloren", klagte die Sängerin vor kurzem in einem Interview an. Mit ihrem Album liefert sie ein Plädoyer für zurückgelehnten Musikgenuss, in den eine gewisse Zeit investiert werden sollte. Entschleunigung für eine große Stimme, denn das ist Trumpf in der Saison der Seele.
3 Kommentare
Ein hübsches Album, wenn auch etwas zu zurückhaltend für meinen Geschmack.
Ich finds langweilig, hat nichtmal einen Durchgang geschafft!
Hmm, hab nur die Werbung auf Pro Sieben gehört und dachte erstmal, das wäre son album wos eins/zwei gute songs gibt, die in der Werbung gespielt werden und den rest kann man in die tonne treten.
Aber scheint ja ganz gut zu sein, werd ich mir mal anhören