laut.de-Kritik
Jazz-Trio covert Sonic Youth. Klingt paradox? Soll es ja!
Review von Thomas KlausSonic Youth gleichen einer nie versiegenden Quelle. Die zigfach verästelten
Seitenarme und Ausläufer dieses Jungbrunnens versorgen den Nährboden zeitgenössischen Indierocks seit fast 30 Jahren konstant mit Wasser.
Dass sich unzählige Nutznießer der zweiten Generation wie Beck ("Green Light") oder die Yeah Yeah Yeahs ("Diamond Sea") in schöner Regelmäßigkeit mit Coverversionen vor ihren Wegbereitern verneigen, zeugt von guter Kinderstube und sollte daher nicht weiter verwundern – sofern die Dankesbezeugungen nicht allzu peinlich geraten.
Wundern muss man sich über Rusconi dafür um so mehr. Für ein Piano-Jazz-Trio aus Zürich gibt es vermeintlich naheliegendere Betätigungsfelder, als eine New Yorker Noise-Rock Band zu covern - und das auch noch ein ganzes Album lang. Nun, die musikhochgeschulten Jazz-Nerds Stefan Rusconi (Piano), Fabian Gisler (Bass) und Claudio Strüby (Drums) sehen das hörbar anders und nähern sich KimThurstonLee&Steve
mit ihrer Hommage "It's A Sonic Life" quasi aus dem Abseits.
Es läge nahe, die Sonic Youthsche Gitarrenwand mit einer Pseudo-Breitseite aus Saxofonen und Celli nachzubauen, um einen ähnlich energetischen Grundstock zu erzeugen. Statt dessen entscheiden sich Rusconi für die spannendere Variante und reinterpretieren
das rocklastige Ausgangsmaterial mit dem Vokabular des klassischen Piano-Trios von Grund auf neu. Klingt paradox? Soll es auch!
"Wir haben nicht diesen verstärkten Druck, den eine Rockband auf die Platte bringen kann, und wir haben nicht die Stimme, die eine Geschichte erzählt", erläutert der Pianist. "Wir mussten Wege finden, die Langeweile zu umgehen, die entstehen kann, wenn drei Instrumentalisten diese Songs interpretieren. Das kann über Tempoveränderungen erfolgen, aber wie in dem Song 'Karen Revisited', der sich ganz langsam in eine Stimmung hineinschleicht, auch über Improvisation. Bei 'Sunday' oder 'Destroyed Room' bot sich einfach an, druckvolle Rocksongs daraus zu machen."
Da Sonic Youth bekanntlich große Haken um formalisierte Songstrukturen schlagen, fallen die aus Improvisation und Rearrangement gewonnenen 'Übersetzungen' ganz im Sinne ihrer Erfinder aus. "Bei gewissen Songs war das, was wir von Sonic Youth übernehmen konnten, schon sehr konkret", so Rusconi. "Bei anderen waren es eher einzelne Elemente. Bei den Tracks, in denen wir einfach die Stimmung, die Farben oder den Groove übernommen haben, sind am Ende ganz andere Stücke entstanden, deren Basis für uns aber ganz klar nachvollziehbar ist."
So gehen manche Songs wie "Schizophrenia" gerade noch annähernd als Coverversionen durch, andere wirken wie Paraphrasen auf einzelne Fragmente. So, oder so – was theoretisch an das Hirngespinst eines fieberträumenden Jazz-Maniacs gemahnt, entpuppt sich über die gesamte Albumlänge als verblüffend fantasievolle
Neuadaption. Ähnlich wie Hellsongs erziehen Rusconi ihre Stiefkinder radikal um, anstatt sie einfach nur in frische Klamotten zu stecken.
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