laut.de-Kritik
Mehr Features, weniger Metamphetamin.
Review von Matthias MantheRussell Whyte ist und bleibt kein Langspielproduzent. Schon anlässlich seines Debüts "Glass Swords" stellte ich die Redundanz des LP-Konzepts für seine Wonky Music (call it Aquacrunk) fest. Wer Hyperaktivität in Tracks bannt, zielt viel mehr auf den Moment als aufs Epische. Was nicht in Abrede stellt, dass Whyte als Rustie 2011 durchaus erstaunliche Langstreckendisziplin bewies.
Im Vorfeld der Nummer zwei bestätigt der Glasgower das damalige Resümee. "'Glass Swords' hat sich nicht wie ein richtiges Album angefühlt. Diesmal sollte es mehr albummäßig fließen." Offensichtlichstes Mittel zum Zweck bildet die konzeptionelle Klammer, in die er die zentralen Stücke einfasst: "Workship" und "A Glimpse" dienen beide als großes Intro, während der Titeltrack am Schluss im Erik Satie-Kostüm das Licht ausmacht.
Leider bezeugen schon die ausschmückenden Songs, dass Rustie das Albumkonzept weiterhin ziemlich abgeht. Sowohl das alpine Ambiente des Openers als auch das folgende Synthiebass-Arpeggio begnügen sich mit dem bloßen Versprechen von großem Überschwang. Man vernimmt maritimes Geplätscher und Vogelzwitschern und wartet zwei mal zwei Minuten lang auf mitreißende Dancefloor-Chinaböllereuphorie - doch die lässt sich auch bei "Raptor" immer noch nicht blicken.
Statt flirrendem Synthierave verläuft dort Rusties Rein- und Rausgedrehe von enervierenden Tranceflächen völlig ins Leere. So sehr, dass der Track in der Mitte einfach abbricht, um nach einigen Sekunden genauso weiterzuplärren. Die Katharsis bleibt also aus. "Vielleicht ist dieses Album nicht ganz so strahlend und farbenfroh wie das erste. Das hat mir beim Songwriting Sorgen bereitet", meint der Schotte. "Ich glaube, das ist nach wie vor meine größte Sorge."
Erwachsener und persönlicher sollte "Green Language" werden. Die Umsetzung des Plans gelingt aber nur stellenweise. Wenn er in "Paradise Stone" auf Tropicana und Kalimba setzt, fällt es schwer, darin mehr als eine nette Soundspielerei zu sehen. Hier wie auch im etwas vorhersehbaren "Tempest" fährt Rustie zu früh die Regler wieder herunter. Nach anderthalb bis zwei Minuten erklingt der Schlussgong.
Dann übernehmen die neu implementierten Gastrapper und -sängerinnen das Ruder. Gefeaturet werden unter anderem Grime-MC D Double E und Detroitrap-Maniac Danny Brown. Die liefern zu Trap-Snares, Synthflöten und Cloudrap-Flächen solide ab, doch mehr Künstlerpersona dringt auf diese Weise kaum durchs Dickicht. Von Kongenialität ganz zu schweigen.
Was "Green Language" rettet, sind die im letzten Albumdrittel einsortierten Stücke "Velcro" und "Lost". Ersteres holt endlich den Rascal-Rustie von 2011 wieder aus dem Wandschrank: Claps, aus Hartplastik geformte Maschinengewehr-Salven, eine grandiose Dramaturgie und die befreiende saturierte Hochstimmung am Ende stimmen versöhnlich. "Lost" betritt anschließend Neuland als Rusties erste Semiballade: Der Vocoder-lastige Synthesizer-Zucker mit Gesang von Redinho geht als gelungenes Feature in die Liner Notes ein. Das vergleichbar poporientierte "Dream On" unterstreicht noch die Muskelkraft dieses Albumteils.
Insgesamt geht Whyte diesmal aber etwas zu sehr auf Nummer sicher. Der grenzsprengende Sound fehlt hier, wie auch die Tiefe des Klangraums, aus dem 2011 noch allerhand Unberechenbares hervorsprudelte. Rustie bemüht sich, das zuvor überbordende Energielevel in kompaktere, straightere Stücke zu übersetzen. Bei manchen Feature-Songs gelingt das sehr gut, bei genauso vielen bleibt der Eindruck von Massenware. Dazwischen versteckt sich letztlich zu viel halbgares Füllmaterial.
Schlecht ist sein Hybrid aus Hyphy-Hip Hop und Trance deswegen noch lange nicht. Dem eigenen Anspruch, sich neu zu erfinden und ein reiferes und persönlicheres Werk vorzulegen, genügt es jedoch nicht.
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